Der Sommer der Entscheidungen

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theresia626 Avatar

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Alexander Westwood, von seiner Ehefrau Genevieve verlassen, begibt sich mit seinem Sohn Jamie auf eine Geschäftsreise nach Sizilien. Dort lernt er Sarah kennen, die sich gerade mit ihrer Schwester May und ihrem Schwager Neil dort aufhält, beide empfinden Zuneigung füreinander und Alexander bietet Sarah an, mit ihm nach Somerset zu kommen. Sarah ist für dieses doch überraschende Angebot sehr empfänglich, auch wenn ihr ihre Familie das Unternehmen ständig ausreden will. Aber sie  hält nichts mehr in ihrer Heimatstadt Manchester, zu viele schmerzliche Erinnerungen sind für sie damit verbunden. Erinnerungen an ein Leben mit ihrem Lebensgefährten Laurie, der sie betrogen und an ihren Sohn, den sie bei der Geburt verloren hat. Das Landleben, der Dorfklatsch und die Eintönigkeit ihres Daseins bringen Sarah schon nach zwei Wochen dazu, an sich selbst zu zweifeln und sie fragt sich ständig, ob es richtig war, nach Somerset zu ziehen. Auch macht es ihr der 6jährige Jamie mit seiner anfangs ablehnenden Haltung nicht einfach. Sie freundet sich mit Claudia, der Halbschwester von Genevieve und Betsy, einer jungen Frau aus dem Ort, an. Dann beginnt der Spuk in Avalon, dem Haus, das Alexander und Genevieve bewohnten oder droht Sarah, die den Verlust ihres Babys nicht verkraften kann, wahnsinnig zu werden? Sie fängt an herumzustöbern und stößt auf Ungereimtheiten, die sie an Alexanders Unschuld mehr und mehr zweifeln lassen und ihr Vertrauen in ihn schwindet von Tag zu Tag. Als dann auch noch die Polizei auftaucht und die Schwiegereltern von Alexander eine große Suchaktion mit Plakaten starten, glaubt Sarah, daß Alexander für den Tod von Genevieve verantwortlich ist.

Die Leseprobe hatte mir gut gefallen, das Buch konnte meine Erwartungen leider nicht so ganz erfüllen. Mit fast 500 Seiten ein kleiner Wälzer, zieht sich das Geschehen doch reichlich hin. Sarah, die Ich-Erzählerin, ist mir zu detailliert in ihren Schilderungen. Alles wird lang und breit auseinandergepflückt, hin und her gedreht. Egal, was Sarah macht, jeder Handgriff wird thematisiert und regelrecht ausgeschlachtet. Das hat mein Lesevergnügen getrübt und zieht den Roman mächtig in die Länge. Eine straffere, fesselndere Erzählstruktur allerdings, hätte dem Roman sehr gut getan, trotzdem ist der Schreibstil nicht unangenehm, das Buch läßt sich flüssig lesen. Sei es Alexander, Claudia und Bill, Virginia und Philipp, sie sind mir fremd geblieben, allein schon deshalb, weil jeder über alles den Mantel des Schweigens hüllt und sich alle hinter ihren Geheimnissen und Lügen verstecken. Einzig Genevieve schien mir gut ausgearbeitet, wenn auch zu hochgelobt. Sie vereint für ihre Umwelt alle positiven Eigenschaften und läßt sie als kleine Gottheit in Somerset erscheinen, die sie, wie sich später herausstellen wird, nicht gewesen war. Die mysteriösen Erzählstränge, die Lesley Turney in ihren Roman einfliesen läßt, erinnern eher an Spukgeschichten aus dem Mittelalter und waren so, für meinen Geschmack, nicht nötig. „Doch irgendwie war sie immer da, im flackernden Kerzenschein, im Muster der Vorhänge und des Läufers, sie kauerte hinter dem Bücherstapel, der im Kerzenlicht merkwürdige Schatten warf." "… und war für den Bruchteil einer Sekunde überzeugt, dass Genevieve zurückgekehrt sei, …“ (S. 100). Auf der anderen Seite lassen sie Sarahs Besessenheit in einem anderen Licht erscheinen und besessen ist sie von Genevieve, auch wenn sie es nicht wahrhaben will. „Es ist einfach so, dass alles, alle unsere Gespräche, alles, was wir tun, immer um Genevieve kreist.“ (S. 225).

Wer einen leichten Schmöker für kühle Herbstabende sucht, ist hier trotzdem gut aufgehoben, denn es wird kurz vorm großen Finale noch mal recht spannend.  Es gibt von allem etwas. Ein bißchen Liebe, ein bißchen kriminalistische Ermittlungsarbeit von Sarah und ihrem Schwager Neil, der sich auf die Seite von Alexander schlägt, ein bißchen Spuk, eben von allem ein bißchen und wie nicht anders zu erwarten, ein Happy-End.