Auftaktband der Galeristinnen-Trilogie

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Die Galerie am Potsdamer Platz, Debütroman von Alexandra Cedrino, 384 Seiten, erschienen bei HarperCollins.
Berlin, 1930: Zwischen zwei Kriegen kämpft eine Frau um ihr neu gewonnenes Leben.

Die junge Kunststudentin Alice zieht nach dem Tod ihrer Mutter nach Berlin um bei der Familie ihrer Mutter Anschluss zu finden. Zunächst erntet sie, besonders von ihrer Großmutter nur kalte Ablehnung. In der Kunstszene Berlins fühlt sie sich wohl und entdeckt ihr Talent als Fotografin, die Brüder ihrer Mutter protegieren sie und so entsteht ein Plan die renommierte Galerie ihrer Familie am Potsdamer Platz wiederzueröffnen. Sie lernt den jungen Iren John kennen und verliebt sich in ihn. Es sind unruhige Zeiten, und der Aufstieg der Nationalsozialisten droht bald ihre Liebe, die Galerie und ihre gesamte Familie in den Abgrund zu reißen…
Der erste Band der Trilogie beschreibt die Zeit von Oktober 1930 bis März 1933, er ist in vier Teile gegliedert, die einzelnen Kapitel sind in angenehmer Leselänge, tragen einen, den Inhalt zusammenfassenden Titel und sind mit Datum versehen, der zeitliche Überblick ist somit jederzeit möglich. Buchtitel, Lieder Eigennamen und fremdsprachliche Ausdrücke sind kursiv gedruckt und somit deutlich hervorgehoben. Die Autorin verwendet umgangssprachliche Ausdrücke (Graf Koks von der Gasanstalt, …sie stand da wie Pik Sieben… usw.) und schlagfertige Dialoge, was den Text äußerst lebendig gestaltet. Die auktoriale Erzählweise macht die Handlungen der Charaktere nachvollziehbar. Dass Alexandra Cedrino von Kunst Ahnung hat, merkt man am Geschriebenen, ihre Geschichte ist inspiriert von ihrer eigenen Familie, sie stammt aus der Kunsthändlerfamilie Gurlitt.
Mir hat dieser Auftaktband gut gefallen und ich will die Trilogie gerne weiterverfolgen, schon auf den ersten Seiten, als die Protagonistin von ihrer Großmutter abgewiesen wird, hat mich die Story gepackt, man steckt sofort mittendrin in dieser aufwühlenden Geschichte. Der Leser kann sich die geschriebenen Szenen mühelos vorstellen und ist sich stets bewusst, dass die Handlung sich in Berlin zuträgt. In der letzten Zeit habe ich einige Bücher aus der Zeit zwischen den beiden Kriegen gelesen und hier schafft es Cedrino ganz gut m. E., die Familiengeschichte mit den historischen Fakten zu verbinden. Es ist eine interessante Zeit, in der Frauen nun im öffentlichen Leben eine neue Rolle einnehmen, die „neuen Frauen“: mit Bubikopf, rauchend, mit kurzem Rock, selbstbewusst und wirtschaftlich unabhängig. Die Protagonistin Alice verkörpert diesen neuen Frauentyp bestens, mir ist aufgefallen, dass bei ihr die Hand sehr locker sitzt, so kommen etliche der männlichen Figuren in den Genuss ihrer „Schlagfertigkeit“, solche Frauen, auch in der heutigen Zeit, finde ich abstoßend. Da sollte die Autorin ihrer Protagonistin in den weiteren Folgen ein neues Image verpassen. Außerdem raucht und trinkt sie zu viel.
Es sind sympathische und auch weniger sympathische Charaktere dabei, das macht die Geschichte authentisch. Tante Rosa z.B., ist zwar sehr nett zu Alice, benutzt sie aber auch für ihren Kleinkrieg gegen ihre Schwiegermutter. Mein Lieblingscharakter war John Stevens, der gutaussehende, geheimnisvolle, irische Freund der Protagonistin. Im Gegensatz dazu Erik, aufstrebender Nationalsozialist aus wohlhabendem Hause, skrupellos versucht er seine Chancen zu nutzen.
Der Zeitraum der beschrieben wurde war leider sehr kurz. Wenn die Autorin in diesem Zeitrahmen ihre Romane weiterspielen lässt, ist die Geschichte zu Beginn des 2. Weltkriegs zu Ende erzählt. Doch vielleicht ist das ja die Absicht der Autorin, finde ich schade. Einzelne Figuren z.B. Heinrich Lux oder Helena hätte ich mir tiefer charakterisiert gewünscht. Auf die Fortsetzung bin ich gespannt und vergebe 4 Sterne.