Kriminalroman und Gesellschaftsbild

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krimielse Avatar

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Der Wandel im Syrien von 2011 wirft Schatten voraus. Die Veränderungen sind im Roman deutlich zu spüren, doch man weiß nicht, in welche Richtung sich alles entwickeln wird.
Rafik Schami platziert mit „Die geheime Mission des Kardinals“ genau hier einen höchst spannenden Kriminalroman, bei dem es sowohl um den Fall selbst als auch um ein Sitten- und Gesellschaftsgemälde von Damaskus und Syrien geht. Er erzählt poetisch und bildhaft, in dem ihm sehr eigenen fast märchenhaften und von mir sehr geliebten Stil.

Die Italienische Botschaft in Damaskus erhält ein riesiges Fass Öl unbekannter Herkunft, das neben dem teuren Inhalt die Leiche eines Kardinals aus dem Vatikan enthält, der einige Zeit in Syrien verbrachte.
Die beiden Syrischen Ermittler Barudi und Schukri werden von einem Römischen Kollegen unterstützt - Mancini. Barudi findet in Mancini in der Atmosphäre des Misstrauens einen Vertrauten, mit dem er vom ersten Augenblick an eng verbunden ist. Auch Schuri vertraut der kurz von der Pensionierung stehende Barudi, und mit messerscharfem Verstand machen sie sich an die Auflösung des Falles um den Kardinal, der in geheimer Mission in Syrien unterwegs war.

Der wirklich spannende Kriminalfall wird unterstrichen von einem sehr klaren Bild des Wandels und der beginnenden Auflösung im damaligen Syrien, dem ersten Aufflackern des Islamischen Staates genauso wie dem alles beherrschenden Misstrauen der Menschen untereinander.
Und genau hier steht der kleine Wermutstropfen des ansonsten großartigen Buches. Kommissar Barudi wirkt auf mich mit seiner Leutseligkeit gegenüber dem fremden Mancini etwas unglaubwürdig. Er scheint zwar der Typ für schnelle und intensive Gefühle zu sein, wie die große Liebe zu einer Nachbarin nach ganz kurzer Zeit zeigt, aber für mich passt dieses Verhalten nicht ganz in die Atmosphäre des Misstrauens und des Umbruchs, in der Vorsicht gegenüber anderen geboten ist.

Doch das ist Jammern auf hohem Niveau, denn der Autor hat es erneut hervorragend geschafft, ein ganz wunderbares Buch zu schreiben. Mit einfachen Worten erzählt er einen spannenden Krimi, verknüpft diesen mit vielen höchst interessanten Fakten über Politik, Religion und Aberglaube und führt dem Leser vor Augen, warum sich Menschen dem IS zuwenden.
Man kann sich kaum vom Buch losreißen, wenn man einmal begonnen hat zu lesen.