Syrisches Gesellschaftsbild in spannenden Krimi gehüllt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
meta Avatar

Von

Liebe und Mord, Glaube und Aberglaube, Syrien und Italien, Humor und Terrorismus ... all das macht diesen großartigen und literarischen Krimi von Rafik Schami aus.
Die Geschichte beginnt 2010 in Damaskus, als in Syrien noch Frieden herrscht. In diesen Frieden allerdings hat bis in den Alltag hinein bereits der Geheimdienst krankenartig ausgebreitet. Kommissar Barudi aber weiß damit umzugehen und nutzt die Allgegenwart des Geheimdienstes für sich.
In die italienische Botschaft in Damaskus wird ein Fass mit Olivenöl geliefert. Darin allerdings befindet sich die Leiche eines Kardinals.
Barudi zählt bereits die Tage bis zu seiner Pensionierung und freut sich auf ein ruhiges Leben nach jahrzehntelangem Kampf bei der syrischen Kriminalpolizei. Doch dann wird er auf die Untersuchung um den toten Kardinal angesetzt. Ihm zur Seite setzt man den italienischen Kollegen Mancini. Die beiden freunden sich an bilden ein unschlagbares Team.
Die Aufklärung des Falls treibt die beiden durch alle Gesellschaftsschichten und quer durch das Land. Sie geraten in die Fänge bewaffneter Islamisten. Sie werden mit der Frage nach dem rechten Glauben konfrontiert, indem sie sich mit Aberglauben und damit einhergehender Halsabschneiderei beschäftigen müssen. Und der Kommissar lernt wider Erwarten eine neue Liebe kennen. In diesem Zusammenhang kommt für mich das Wort „Vertrauen“ ins Spiel. Denn wie kann man in einem Staat, der bis in die kleinste Zelle vom Geheimdienst infiltriert ist noch zu irgendjemand Vertrauen haben. Aber nur deshalb funktioniert dieser Roman: Das unzerstörbare Gefühl, dass dem Protagonisten vom Autor eingepflanzt wurde, lässt die Leserin hoffen. Es gibt etwas, dass über allem steht. Das ist die Liebe!

Der Roman ist in unterschiedlichen Erzählebenen geschrieben. Zum einen die Handlung aus der Erzählerperspektive, dazwischen die persönlichen Berichte Barudis in Tagebuchform. Er reflektiert über das Leben darin. Über das richtige Leben im falschen.
So lässt der Autor ihn schreiben: „... Die Diktatur macht uns ängstlich. Sie lässt nicht nur Freunde und Verwandte einander bespitzeln, sie verbreitet auch Geschichten über fortwährenden Verrat, so dass das Volk überzeugt ist: Man kann heutzutage keinem mehr vertrauen.
Wir fühlen uns wie ängstliche Schafe. Und sind wir eine Herde, übernimmt uns bald ein Schäfer.“
Aber auch Barudis Kollege Mancini hat fundamentale Einsichten: „Nur Männer, wohin der Blick reicht ... Die Maßnahmen der Islamisten zielen darauf ab, alles Weibliche aus der Öffentlichkeit, aus der Gesellschaft verschwinden zu lassen. Frauen dienen nur der Befriedigung der Männer und werden dazu hinter Mauern gehalten. So eine Gesellschaft muss am Ende scheitern, weil sie mit halber Kraft Probleme zu stemmen versucht, die wir in Europa mit Frauen und Männern gerade eben bewältigen können.“

Ein literarischer Krimi, den uns Rafik Schami hier präsentiert. Er lässt uns hinter die Kulissen schauen, sensibilisiert für fremde Ansichten, ja zwingt die Leserin, sich damit auseinanderzusetzen. Darüber hinaus ein großes Lesevergnügen, weil Schami die literarische Sprache beherrscht.
Ich persönlich wünsche mir, dass Barudi noch nicht so schnell in Rente geht.