Zwischen Bücherzauber und Seelenschmerz: Eine gemischte Begegnung
Nina Georges "Die geheime Sehnsucht der Bücher" eröffnet mit der Geschichte der fast zwölfjährigen Françoise, die mit bemerkenswerter Sprachgewandtheit und ständiger Wachsamkeit ihr fragiles Leben mit einer psychisch kranken Mutter navigiert – ein Balanceakt, der sowohl berührt als auch Fragen aufwirft.
Georges Schreibstil ist handwerklich solide, doch oft schimmert eine gewisse Gewolltheit durch. Die kalkuliert wirkenden aphoristischen Momente ("Wenn einer was Nettes sagte und danach ein 'Aber' kam, konnte man alles vor dem 'Aber' streichen") erzeugen eine Künstlichkeit, die mir den emotionalen Zugang zur Geschichte erschwert.
Die Wörterbuch-Momente, in denen Françoise Synonyme und alphabetische Nachbarn von Wörtern durchgeht ("Anderes Wort für Lügen: Wachträumen. Wort im Alphabet vor Lügen: Luftzug"), offenbaren viel über ihren Charakter – sie sind ihr Versuch, in einer chaotischen Welt Struktur zu finden. Doch auch hier schleicht sich manchmal das Gefühl ein, dass diese Technik etwas zu betont eingesetzt wird.
Françoises Mutter balanciert gefährlich auf der Grenze zum Klischee der "verrückten Künstlerseele". Ihre Exzentrik mit wechselnden Hüten als Stimmungsbarometer und impulsiven Anschaffungen in hellen Phasen ist zwar anschaulich, aber nicht immer überzeugend in ihrer Komplexität.
Besonders konstruiert wirkt die Einführung der "Literarischen Apotheke" als offensichtlicher Rettungsort. Der Dialog zwischen Françoise und Pauline erreicht stellenweise eine zu gewollte Tiefsinnigkeit: "Manchmal geben die Alten den Jungen ihre Bauchsteine weiter. Angststeine, Leistungssteine, Makelsteine." Diese Metaphern mit ihrer allzu offensichtlichen Symbolik nehmen dem Text seine Subtilität.
Der Anfangssatz "Das Allerwichtigste war, dass einem keiner draufkam, dass die eigene Mutter verrückt war" bleibt dennoch eindrucksvoll in seiner schmerzlichen Direktheit. Und trotz aller Kritik weckt die Grundprämisse – Bücher als Heilmittel für seelische Wunden – durchaus Neugierde.
Die größte Stärke liegt in Françoises Perspektive: Ein Kind, das gleichzeitig altklug und verletzlich ist, das Fremdwörter wie Waffen einsetzt und dennoch von kindlicher Sehnsucht getrieben wird. In diesen Momenten überwindet der Text seine stilistischen Schwächen und berührt tatsächlich.
Was fehlt, ist eine klarere Richtung und etwas mehr Natürlichkeit im Erzählfluss. Die Geschichte hätte von weniger offensichtlichen literarischen Griffen und mehr Raum für ungekünsteltes emotionales Erleben profitiert.
Insgesamt ein Roman mit interessantem Potenzial, der jedoch zu sehr auf seine eigene Tiefgründigkeit bedacht ist – was ihm paradoxerweise genau diese manchmal nimmt.
Georges Schreibstil ist handwerklich solide, doch oft schimmert eine gewisse Gewolltheit durch. Die kalkuliert wirkenden aphoristischen Momente ("Wenn einer was Nettes sagte und danach ein 'Aber' kam, konnte man alles vor dem 'Aber' streichen") erzeugen eine Künstlichkeit, die mir den emotionalen Zugang zur Geschichte erschwert.
Die Wörterbuch-Momente, in denen Françoise Synonyme und alphabetische Nachbarn von Wörtern durchgeht ("Anderes Wort für Lügen: Wachträumen. Wort im Alphabet vor Lügen: Luftzug"), offenbaren viel über ihren Charakter – sie sind ihr Versuch, in einer chaotischen Welt Struktur zu finden. Doch auch hier schleicht sich manchmal das Gefühl ein, dass diese Technik etwas zu betont eingesetzt wird.
Françoises Mutter balanciert gefährlich auf der Grenze zum Klischee der "verrückten Künstlerseele". Ihre Exzentrik mit wechselnden Hüten als Stimmungsbarometer und impulsiven Anschaffungen in hellen Phasen ist zwar anschaulich, aber nicht immer überzeugend in ihrer Komplexität.
Besonders konstruiert wirkt die Einführung der "Literarischen Apotheke" als offensichtlicher Rettungsort. Der Dialog zwischen Françoise und Pauline erreicht stellenweise eine zu gewollte Tiefsinnigkeit: "Manchmal geben die Alten den Jungen ihre Bauchsteine weiter. Angststeine, Leistungssteine, Makelsteine." Diese Metaphern mit ihrer allzu offensichtlichen Symbolik nehmen dem Text seine Subtilität.
Der Anfangssatz "Das Allerwichtigste war, dass einem keiner draufkam, dass die eigene Mutter verrückt war" bleibt dennoch eindrucksvoll in seiner schmerzlichen Direktheit. Und trotz aller Kritik weckt die Grundprämisse – Bücher als Heilmittel für seelische Wunden – durchaus Neugierde.
Die größte Stärke liegt in Françoises Perspektive: Ein Kind, das gleichzeitig altklug und verletzlich ist, das Fremdwörter wie Waffen einsetzt und dennoch von kindlicher Sehnsucht getrieben wird. In diesen Momenten überwindet der Text seine stilistischen Schwächen und berührt tatsächlich.
Was fehlt, ist eine klarere Richtung und etwas mehr Natürlichkeit im Erzählfluss. Die Geschichte hätte von weniger offensichtlichen literarischen Griffen und mehr Raum für ungekünsteltes emotionales Erleben profitiert.
Insgesamt ein Roman mit interessantem Potenzial, der jedoch zu sehr auf seine eigene Tiefgründigkeit bedacht ist – was ihm paradoxerweise genau diese manchmal nimmt.