Schon der Schriftstil begeistert

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matheelfe Avatar

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"...Bücher sind nicht nur Ärzte. Es gibt Romane, die liebevolle Lebensbegleiter sind. Manche sind eine dringend notwendige Ohrfeige..."

Es ist solche Sätze über Bücher, der diesen Roman wie ein roter Faden durchzieht.
Die Autorin hat eine bewegende Geschichte geschrieben. Das Buch fällt durch seinen ausgefeilten Schriftstil und die gekonnte Wortwahl auf. Die Autorin beherrscht das Spiel mit Wörtern. Man versinkt beim Lesen in den Texten. Ihre Worterfindungen sind leicht verständlich und zaubern häufig ein Lächeln auf die Lippen. Unter einem Ehepflegeabend und einer Staubmausfamilie kann sich jeder etwas vorstellen. Bei den Wackelkontakten des Lebensstromes kommen ganz persönliche Erinnerungen hoch.
Die Geschichte wird abwechselnd von unterschiedlichen Personen erzählt. Das sorgt zum einen für eine latente innere Spannung, zum anderen erweitert es die Sicht auf das Geschehen.
Die Protagonisten werden fein charakterisiert. Da ist Jean Perdu. In seinem Bücherschiff sind die Bücher auf ganz besondere Art sortiert. Er findet für jeden Käufer das Buch, was derjenige braucht.

"...Jedes Buch aus Papier trägt alle je geträumten Träume und jedes je gelebte Leben mit sich, es ist ein Wesen geworden, aus Bäumen und aus unseren Worten..."

Pauline ist seine Auszubildende. Sie hat sich von seiner Begeisterung für Bücher anstecken lassen und fährt mit ihrer Vespa die Bücher zu den Kunden. Dadurch lerne ich die unterschiedlichen Schicksale in Paris kennen.
Kein einfaches Los hat die fast 12jährige Francoise. Sie managt das Leben von sich und ihrer Mutter. Sie sorgt dafür, dass keiner mitbekommt, was sich hinter der Wohnungstür abspielt. Nur wenn ihre Mutter Cleo helle Tage hat, getraut sie sich mit der Tochter vor das Haus. Francoise ist sehr reif für ihr Alter. Das zeigt die folgende ironische Aussage:

"...Lesen gefährdet die uneingestandenen Vorurteile, das ist zu ambivalent für Kinder meines Alters..."

Es ist Perdu, der sehr schnell begreift, wo das Problem von Cleo liegt. Pauline sorgt dafür, dass Marie, die beide Eltern verloren hat, Francoise kennenlernt. Die beiden Büchermädchen finden baldl zusammen.
Das Buch steckt voller Überraschungen. Die spielen vor allem im letzten Drittel eine Rolle. Es geht um Angst und Liebe, um Entscheidungen, die das Leben prägen werden. Bei der 17jährigen Pauline klingt das so:

„...Ich will nicht heute darüber entscheiden, wo ich mit dreißig sein will! Ich hab ja nicht mal Pläne fürs Wochenende!...“

Die Geschichte ist eine Liebeserklärung an die Welt der Bücher. Viele Titel werden in der Handlung verarbeitet. Es gibt unter anderem zu Paulines Geburtstag Speisen, die in Büchern vorkommen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Autorin hat auf unnachahmliche Weise den Wert des Lesens nicht nur für Kinder dargestellt.