Bewegend, aber nicht ganz auserzählt

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jens1991 Avatar

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Lionel und David begegnen einander während ihres Musikstudiums im Schatten des Ersten Weltkriegs. Zwischen ihnen entsteht eine tiefe Liebe, doch das Leben trennt sie zunächst wieder. Nach dem Krieg wagen sie einen Neuanfang: Gemeinsam streifen sie durch die Wälder New Englands, sammeln Volkslieder und nehmen diese auf Wachszylinder auf. Ihre Verbindung scheint neu zu erblühen, doch schon bald verlieren sie erneut den Kontakt, und ihre Liebesgeschichte endet abrupt. Jahrzehnte später entdeckt eine Frau beim Entrümpeln ihres neu bezogenen Hauses die alten Wachszylinder und mit ihnen die Melodie einer verborgenen Liebe.

In “Die Geschichte des Klangs” erzählt Ben Shattuck einfühlsam und mit leiser Ehrlichkeit von einer Sommerliebe, die verborgen bleiben musste. Er entwirft ein intimes Porträt zweier Menschen, die an einem Wendepunkt ihres Lebens stehen und mit ihrer Identität ringen. Allerdings wirkt die Erzählung stellenweise zu knapp, im Mittelteil gar zerrissen. Die Figur Annie, die die Wachszylinder findet, erhält meines Erachtens zu viel Raum: Ihre eigene Ehekrise steht zu sehr im Vordergrund, obwohl sie keine wirkliche Verbindung zu Lionel und David hat. Dadurch entstehen Lücken im Erzählfluss. Die Sprache (in der deutschen Übersetzung von Dirk van Gunsteren) ist jedoch bemerkenswert poetisch und verleiht dem Text eine besondere Tiefe. Insgesamt ist es ein Buch mit einem starken Grundmotiv, das jedoch nicht in allen Aspekten zu Ende gedacht scheint.