Poetisch, mir aber zu flüchtig

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piet1990 Avatar

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„Die Geschichte des Klangs“ hat mich mit seiner ruhigen, fast kontemplativen Atmosphäre zunächst sehr angesprochen. Zwei junge Männer, die im Sommer 1916 durch Maine reisen, um Geräusche für ein Klangarchiv aufzuzeichnen – das ist ein ungewöhnliches und schönes Motiv. Gerade der Einstieg mit Lionel und David hat für mich gut funktioniert: sprachlich fein, stimmungsvoll, leise, aber eindrucksvoll.

Auch die Gestaltung des Buches gefällt mir: das Cover ist stilvoll und vermittelt genau diese melancholische, nachdenkliche Grundstimmung. Die Sprache – in der deutschen Übersetzung von Dirk van Gunsteren – ist klar, fast poetisch, und hat streckenweise einen fast musikalischen Rhythmus, der gut zur Thematik passt.

Was mir allerdings gefehlt hat, war echte Tiefe. Auf nur etwas mehr als 100 Seiten bleibt vieles nur angedeutet. Die Figuren – vor allem Annie in der zweiten Zeitebene – wirkten auf mich eher als literarische Funktionsträgerin denn als echte Persönlichkeit. Die emotionalen Entwicklungen bleiben oberflächlich, wichtige Themen werden eher angerissen als wirklich durchdrungen.

Ich hätte mir gewünscht, dass die Geschichte mehr Raum bekommt. Vieles hätte intensiver wirken können, wenn es Zeit gehabt hätte, sich zu entfalten. So bleibt das Buch für mich eher eine schöne Skizze als ein vollständiges Werk.

Fazit:
Ein ruhiges, poetisches Buch mit interessanter Grundidee und schöner Sprache – aber auch mit einer gewissen Leere zwischen den Zeilen. Für Leser*innen, die reduzierte, stimmungsvolle Erzählungen mögen, sicherlich empfehlenswert. Wer allerdings nach emotionaler Tiefe und echten Entwicklungen sucht, könnte enttäuscht zurückbleiben.