Bittere Lebens-Medizin.

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wandablue Avatar

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Seit sie denken kann, ist Kat diejenige, die zurückgesetzt wird. Es ist ihre beste Freundin Easy, die die Blicke auf sich zieht, wenn sie beide ein Zimmer betreten. Wenn Easy die Schöne ist, was bleibt Kat dann anderes übrig als die Coole zu spielen, wenn sie etwas darstellen will.

Kat ist bald darin geübt, sich nichts anmerken zu lassen, aber eines Tages als sich beide Mädchen in denselben Mann verlieben, kommt sie mit gespielter Coolness nicht weiter. Die Liebe tut ihr weh und Zurückweisung ist bittere Medizin.

Der Kommentar:
Natürlich ist „Die Geschichte von Kat und Easy“ irgendwie auch ein Roman über Freundschaft. Aber viel mehr als das, ist er ein Roman über Zurückweisung und über den Schmerz, den sie verursacht. Und das mag ich. Die Figur der Kat ist so gut gelungen, dass man über die weniger gut gelungenen Unzulänglichkeiten bei der Easy-Figur hinwegsehen kann.

Die beiden Zeitebenen, einmal ein paar gemeinsame Tage auf Kreta in der Jetztzeit und einen Sommer lang im deutschen Kleinstadtmief in den 70ern, sind beide flott geschrieben, interessant, weder im Hier und Jetzt noch im Damals aufgebläht.

Die Autorin behrrscht die hohe Kunst der Auslassung, eine Kunst die wenige Autoren beherrschen. Beinahe ist es mir zu knapp, denn ich hätte gerne mehr aus dem Leben von Katharina gehört. So bleibt die Neugier und nicht der Überdruß der Sättigung. Alles richtig gemacht, Frau Pásztor!

Auch die Einlassung zu den 70iger Jahren ist nicht übertrieben. Natürlich werden ein paar Songtexte genannt, aber ich habe nicht den Eindruck, dass die Autorin sich in einer irgendwie gearteten Verherrlichung dieses Jahrzehnts verliert, ihr erzählerischer Horizont geht allerdings nicht über den Horizont der beiden Mädchen hinaus, das ist ihr Fokus, und die beiden sind mit sich selbst beschäftigt. Dieser bedingt eingeschränkte Horiziont ist hier nicht kritikabel.

Kritikpunkt:
Es gibt allerdings keinen einzigen Satz, der den Konsum von Drogen in Frage stellt. Es wäre so leicht gewesen, jemanden, einen Erziehungsberechtigten?, sagen zu lassen, dass Drogen schon beim einmaligen Gebrauch abhängig machen können. Sogar im Wiedersehen in der Jetztzeit kiffen die älteren Damen munter vor sich hin. Das hätte nicht sein müssen!

Davon abgesehen ist die LSD-Szene im Gras nicht überzeugend und viel zu lang. Man hat den Eindruck, sie wäre einer Szene aus „Das Licht“ von T.C. Boyle nachgestellt. Und schon dort hat sie mir nicht gefallen.

Den allzu häufigen Drogeneinsatz hätte man also gar nicht gebraucht. Es ist außerdem ein Irrtum zu glauben, alle jungen Menschen in den 70ern und 80ern hätten Drogen ausprobiert.

Randbemerkung:
Was ist gerade los bei den deutschen Autoren? Verliebt in die 70er und 80er Jahre des 20sten Jahrhunderts? Why? Viele Coming of Age Romane spielen momentan mit und in dieser Zeit. Benedict Wells mit „Hard Land“, Ewald Arenz mit „Der große Sommer“ und sogar Klaus Modick mit „Fahrtwind“. Nostalgie? Coronalangeweile? Eskapismus? Erinnerungen an einen leichtsinnigen Trip?

Zu weit weg von der Jugend heute? Dann geht näher ran!


Fazit: Die Geschichte von Kat und Easy hat mir richtig gut gefallen. Es ist eine mit leichter Hand geschriebene Story, die da und dort mit Tiefgründigkeit überrascht.

Kategorie: Unterhaltung
Verlag: Kiepenheuer & Witsch, 2021