Blick in die Vergangenheit

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frollein_wunderbar Avatar

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Die Geschichte von Kat und Easy ist die Geschichte einer Jugendfreundschaft zwischen zwei Teenagermädchen und dem Wiedersehen nach 40 Jahren. Erzählerin ist Kat, die sich zurück erinnert an die Silvesterparty 1972/73 und das folgende Jahr mit all seinen Höhen und Tiefen, in dessen Herbst letztendlich die Freundschaft zerbrach. Mittlerweile betreibt Kat einen Blog zur Lebensberatung unter dem Namen "Mockingbird" und muss sich plötzlich dem Verlauf ihres eigenen Lebens stellen, als ihr klar wird, wer ihr unter dem Namen "Ich-wills-wissen" schreibt und sie um Aufarbeitung ihrer Probleme bittet.

Ich mag den Aufbau der Geschichte. Die Kapitel wechseln zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, in beiden Zeitebenen bewegen wir uns chronologisch vorwärts. Die Vergangenheit kommt ohne wörtliche Rede aus, was ich grundsätzlich schon total gerne mag und hier als Kontrast war es sehr gelungen. Generell fällt die ungewohnte (Nicht-) Zeichensetzung auf, Grammatik wie betrunkene Gedanken, Satzbruchstücke, es liest sich dadurch, als wäre man in den frühen 70ern dabei, unterwegs mit Kat und Easy. Wunderbar sonderbar.

Der Verlauf der Handlung spitzt sich zu, immer mehr Details aus der Vergangenheit kommen zur Sprache, werden aufgedeckt. Das Buch bleibt bis zum Ende spannend ohne auf die Tränendrüse zu drücken oder gekünstelt zu dramatisieren. Es sind kleine und große Tragödien im Leben zweier Teenagermädchen. Das Buch wagt keinen Ausblick darauf, wie es weitergehen könnte, was letztendlich glaubhaft ist, die Geschichte von Kat und Easy endet nicht nach der letzten Seite.

Das Buch hat mir sehr gefallen, die Sprache und der Aufbau, die Spannung und, dass es mich an meine Jugend erinnert hat, die Gefühle, Sorgen, Gedanken sind erlebbar geschildert. Die Charaktere sind vielseitig und mit der erforderlichen Tiefe beschrieben, wenn auch keiner, wirklich kein einziger mir sympathisch war. Tut der Lesefreude jedoch keinen Abbruch, wirkt eher authentisch!
Einen Kritikpunkt habe ich jedoch, die Kifferei und die Normalität, mit der allerhand Drogen konsumiert werden. Schön und gut, 70er - Jahre. Aber Menschen im Alter meiner Eltern nehme ich das einfach nicht ab und die Geschichte hätte es nicht gebraucht, es dient eher der Verdrängung und lässt mich die ohnehin diffusen Gefühle der Protagonist*innen anzweifeln. Was ist echt und was nur aus einer Laune im Rausch.

Ein großartiges Buch darüber, dass man die Zeit nicht festhalten, dass Vergangenes nicht zurückgeholt werden kann. Dass Freundschaften manchmal Geheimnisse und Lügen beinhalten, dass man irgendwann zu alt wird, um jung zu sein. Kat und Easy müssen sich der Vergangenheit und der Gegenwart stellen und sich selbst. Dabei lernen sie, dass sie jetzt nicht mehr darüber urteilen können, wie sie als 16-jährige gehandelt haben, aber umgekehrt damals schon waren, wer sie heute sind.