Wenn Freundschaft auch Konkurrenz bedeutet

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Das Jahr 1973 wird Kat und Easy ihr Leben lang in Erinnerung bleiben: als das Jahr, das für ihrer beider Leben wegweisend war. Gerade erst kennengelernt, merken die beiden Teenager schnell, dass sie sich so verbunden fühlen, wie es nur beste Freundinnen tun. Sie gehen zusammen auf Partys, vernachlässigen gemeinsam die Schule, trinken, rauchen, machen ihre ersten Drogenerfahrungen – und verlieben sich unglücklicherweise beide in Fripp. Das kann nicht gut enden... Fast fünfzig Jahre später treffen sich Kat und Easy wieder. Kat ist erfolgreiche Lebenshilfe-Bloggerin, Easy unkonventioneller Alt-Hippie mit heruntergekommenem Ferienhaus auf Kreta. Zunächst noch sehr unsicher, was sie erwartet, nimmt Kat die Einladung ihrer ehemals besten Freundin, die sofort wusste, dass es sich bei Kats Blog-Pseudonym Mockingbird auf jeden Fall um sie handeln müsse, an und begibt sich mit ihr auf der griechischen Insel auf eine Reise in der Vergangenheit, die Wunden aufreißt und zu schließen vermag.

„Es ist nicht immer alles schön, aber trotzdem irgendwie richtig“ (S. 145).

Susann Pásztor ist mit ihrem neuen Roman ein sensibles und leises Porträt zweier Frauen gelungen, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit zu ergänzen wissen: Kat, die nach außen hin so Erfahrene, die natürlich schon längst Sex hatte, und Easy, die vermeintlich Naive, die dem Drang, sich ausprobieren zu wollen, unaufhörlich nachgibt. Die Rückblenden ins Laustedt 1973 erleben wir wie über die Schulter Kats beobachtet, während auf Kreta selbige zur Ich-Erzählerin wird. Dieser Perspektivwechsel schafft ein interessantes Verhältnis von Nähe und Distanz, sowohl zwischen den Protagonistinnen als auch zur*zum Leser*in.

Am Topos Fripp gerät die freundschaftliche Beziehung der Beiden an einen Scheidepunkt: Alles, was mit Fripp zu tun hat, ist geheimnisbehaftet. Weder Kat noch Easy schaffen es ihre Gefühle für ihn der jeweils Anderen mitzuteilen. Die Sprachlosigkeit, die herrscht, bringt Pásztor in Gegenwart wie Vergangenheit gleichermaßen stark auf den Punkt. Wir dringen nur sehr sachte zum Kern vor, werden an der langen Leine gelassen und arbeiten uns fast schleichend durch vor allem Kats Innenleben. Das ist einerseits die Stärke von Pásztors erzählerischem Talent und lässt die Leser*innen andererseits etwas ratlos zurück, bekommen wir doch niemals das Gefühl, zur Gänze zu verstehen, warum diese große Distanz zwischen den Beiden entstehen musste. Besonders gefallen haben mir die sympathischen Nebenfiguren wie die kretische, in Pásztors Beschreibung nahezu riesenhaft anmutende Nachbarin Eleni, sowie die Nebenschauplätze, die die Autorin mit einer großen Portion Augenzwinkern in ihren Text integriert und mich ein um das andere Mal haben schmunzeln lassen. Diese Leichtigkeit und Klarheit hätte man Kat und Easy in ihrer Jugend gewünscht und kann nur zum Teil die große Lücke verstehen, die sich zwischen ihnen aufgetan hat.