Schein und Sein

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Inhalt:
"Die Gezeiten gehören uns" erzählt eine Geschichte aus der Jugend der Protagonistin Eulabee. Sie wächst in den Achtzigerjahren in einem Vorort von San Francisco als Tochter Schwedischer Einwanderer auf und besucht eine teure Privatschule für Mädchen, die sich ihre Arbeiterfamilie nur mühsam leisten kann. Im Alter von dreizehn Jahren verbringt sie ihre Zeit im engen Kreis einer Mädchenclique. Im Zentrum dieser Clique steht Eulabees beste Freundin, die allseits beliebte und faszinierende Maria Fabiola.
Die Bindung der beiden Freundinnen zerbricht allerdings an einer Situation, in der Eulabee Maria Fabiola nicht die Treue hält.
Von diesem Punkt aus entspinnt sich ein Geflecht aus Wahrheit und Lügen, welches das Leben der beiden Mädchen nachhaltig verändert.

Meine Meinung:
Ich habe "Die Gezeiten gehören uns" wirklich gerne gelesen! Von der ersten Seite an hat mich die Sprache der Autorin und die Art und Weise, wie sie Stimmung und Atmosphäre erzeugt, in ihren Bann gezogen. Ich glaube, diese Atmosphärik (die Achtziger, San Francisco. California, der Ozean, das Erwachsenwerden, die Privatschülerinnen in ihren Uniformen), kann als die ganz große Stärke dieses Romans gesehen werden. Das Gefühl, das beim Lesen entsteht, ist es, was mich durch die Seiten getrieben hat.
Und trotzdem bin ich nicht restlos überzeugt: Unter diesem Gefühl verbirgt sich nämlich eine Geschichte, die immer dünner wird, je länger ich sie zerdenke. Ich frage mich, was eigentlich der Kern dieses Romans ist und, was die Autorin mir schlussendlich sagen will. Ich kann den zentralen Konflikt abschließend einfach nicht greifen. Es ist schwer zusammenzufassen, worum es geht, ohne die Handlung vorwegzunehmen, der Klappentext trifft diese aber nur in Ansätzen.
Ansätze sind im Übrigen ein weiteres Problem. In der Geschichte werden viele Thematiken aufgeworfen und dann nicht richtig zu Ende erzählt. Das Buch hätte hier gerne ein paar Seiten länger sein dürfen. Grundsätzlich mangelt es an verschiedenen Stellen an Tiefe. Insbesondere, wenn es um die Freundschaft von Eulabee und Maria Fabiola geht. Hier bleibt die Autorin in meinen Augen viel zu oberflächlich. Rückblickend betrachtet weiß ich nicht einmal ansatzweise, wer diese beiden Mädchen sind und, was sie füreinander waren.
Aufgefallen ist mir zudem, dass es in dem Buch immer wieder zu Begebenheiten und Zufällen kommt, die mir absurd und irgendwie unglaublich erscheinen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Eulabee erst dreizehn Jahre alt sein soll. Über dieses extrem junge Alter bin ich immer wieder gestolpert, in verschiedensten Situationen hat es mich irritiert. Deshalb und weil die Charakterisierung der Protagonistinnen so undeutlich ist, kann ich das Buch auch nicht wirklich als Coming-Off-Age-Geschichte kategorisieren, obwohl ich vermute, dass es das eigentlich sein will. Auch der Epilog hat eher irritiert, als mich zu erhellen oder meine Neugier darauf, wie es denn wohl weitergehen könnte, zu befrieden.

Fazit:
"Die Gezeiten gehören uns" ist ein kurzweiliges, atmosphärisches Buch über Mädchen in ihrer Jugend, einer unglaublich brüchigen Zeit, in der man noch nicht wirklich ist, wer man einmal sein wird, und gerade eben erst aufgebrochen ist, um sich selbst zu finden. Diese Brüchigkeit nimmt die Autorin als Nährboden, auf dem Wahrheit und Lügen, toxische Gruppendynamiken und verheerende Fehlentscheidungen wachsen können. Alle diese Motive finde ich unglaublich spannend, ich wünschte nur, die Geschichte hätte sie besser und detaillierter auf den Punkt gebracht.