Auch in Grau stecken viele Farben

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Gerade erst ist Robin mit ihrem Vater in die Stadt gezogen. Dort ist sie gar nicht glücklich und fühlt sich sehr unwohl, denn alles sieht einfach nur grau aus an diesem Ort – die Häuserklötze, die Geschäfte, die Schule und auch die Menschen. Nicht nur das... Farben sind sogar verpönt und verboten. Robin selbst muss in der Schule nachsitzen, weil sie sich weigert, ihre quietschgelbe Regenjacke auszuziehen und gegen etwas tristes Graues einzutauschen. Doch dann trifft Robin auf Verbündete, begibt sich auf die Suche nach der Ursache für das Fehlen von Farben und entdeckt die Grauwerke. Wird es ihr gelingen, die Farben wieder zurück in das Leben der Menschen zu bringen?

Das neueste Werk von Autor und Illustrator Torben Kuhlmann, der durch seine Mäuseabenteuer rund um Edison, Lindbergh und Armstrong bekannt wurde, hinterlässt beim Lesen ein recht bedrückendes Gefühl. Aufgrund einer, meiner Meinung nach, zu schnellen Auflösung am Ende bleiben viele Fragen offen.

Die graue Stadt mit ihren betrübten Menschen erinnert an dystopische Welten à la George Orwells "1984". Da sich Robin und auch einige andere Stadtbewohner weigern, bei all dem Grau in Grau mitzumachen, kommen beim Lesen Themen wie Mut, Widerstand, ziviler Ungehorsam, Rebellion und Sabotage auf, über die man mit älteren Kindern ins Gespräch kommen kann. Auch könnte man über Versuche von Gleichmachung, über Konformität, über enge Meinungskorridore, cancel culture usw. diskutieren, die es in unserer Gesellschaft immer wieder gab und gibt, und darüber wie wichtig es ist, zu seiner eigenen Meinung zu stehen und sich nicht zensieren oder einschränken zu lassen, wenn man Unrecht wahrnimmt.

Am Ende des Buches werden noch die Brechung des Lichts und das Verfahren der Farbmischung kurz erklärt, sodass sich die Geschichte sicherlich auch im Kunstunterricht eignen würde.

Die Handlung an sich hätte noch ausführlicher und weniger oberflächlich erzählt werden können und es bleiben, wie gesagt, etliche Fragen offen. Wo ist Robins Vater während all der Zeit, in der sie beispielsweise täglich nachsitzen muss? Warum tritt er nie in Erscheinung und spricht mit seiner Tochter über die graue Stadt, die ja auch für ihn als neuen Bewohner seltsam erscheinen muss? Wer genau steckt hinter dieser Graufirma? Was sind deren Motive? Wie ist es möglich, dass Robin so einfach in die Fabrik spazieren und die Hebel umstellen konnte, sodass nun nicht mehr Grau sondern Farben produziert werden? Warum hat das vorher nie einer der anderen Menschen versucht?

Torben Kuhlmanns Illustrationen sind beeindruckend, wenn auch hauptsächlich grau, und kommen aufgrund der großflächigen Seiten sehr gut zur Geltung. Die Häuserschluchten wirken bedrohlich und kühl und die gelegentlichen Farbtupfer, wie Robins gelber Regenmantel, stechen umso leuchtender hervor.

"Die graue Stadt" ist ein Buch, mit dessen Hilfe man gerade in der heutigen Zeit mit älteren Kindern und Jugendlichen über wichtige Themen wie Gleichschaltung, Zensur, Einschränkung der Meinungsfreiheit, Vielfalt an Gesinnungen und Meinungen in einer Demokratie und vieles mehr ins Gespräch kommen kann.