Gelungener Abschluss(?) der Hafenärztin-Reihe

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nordlicht Avatar

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Inhalt
In Hamburg werden einige Frauen aus der Arbeiterschicht tot aufgefunden, zunächst glaubt man an die Existenz eines (weiteren) Serienmörders. Bei den Obduktionen stellt es sich jedoch heraus, dass die Frauen an einem selbst verabreichten Cocktail aus Alkohol und Heroin verstorben sind. Während Berthold Rheydt und seine Kollegen von der Polizei herauszufinden versuchen, wer das Heroin an den normalen Erwerbswegen in den Apotheken vorbei herausgegeben hat, bemüht sich die Hafenärztin Anne van der Zwaan, die Menschen vor der unsachgemäßen Nutzung der Rauschmittel zu warnen. 1911 gilt Heroin als Mittel zur Suchtentwöhnung bei Alkoholikern beiderlei Geschlechts, es wird auch gegen Schmerzen eingenommen. Neu ist jedoch, dass die Patienten sich das Heroin nicht mehr in den Tee rühren, sondern es intravenös oder nasal zu sich nehmen, es also spritzen oder schnupfen. Dadurch erhöhen sich das Suchtpotenzial und die Gefahr von tödlichen Überdosierungen beträchtlich.
Bertholds Verlobte und Annes Freundin Helene Curtius hat inzwischen ihr Herz für die Psychologie entdeckt, nach dem Besuch einer Tagung in Berlin ist es ihr Ziel, in Wien Psychologie zu studieren. Ihr psychologisches Geschick kann sie an ihrem Bruder Klaus testen, der als Rauschgiftabhängiger aus dem Ausland zurückgekehrt ist und nun in der Familie entwöhnt werden soll.

Beurteilung
Auch der vierte Band der Reihe greift diverse Handlungsstränge aus den vorherigen drei Bänden der Reihe auf, wobei auch die Namen der Mörder genannt werden. Aus diesem Grund und auch zum Verständnis des breiten Handlungsspektrums der Reihe ist es unbedingt anzuraten, die Bände in der korrekten Reihenfolge zu lesen.
Das schon im dritten Band angesprochene Thema des naiven und leichtsinnigen Umgangs mit Heroin, Kokain und Morphium wird hier vertieft. Selbst Ärzte verschreiben zu Beginn des 20. Jahrhunderts bedenkenlos Heroin als Medikament gegen alle möglichen Beschwerden. Vor allem zur Bekämpfung anderer Süchte, wie z.B. des Alkoholismus wird Heroin verwendet. Anne ist erschüttert von den Zuständen in einer Trinkerheilanstalt für Frauen und beschließt, selbst eine solche zu leiten und die Frauen mit humaneren Methoden zu heilen, wobei auch psychologische Aspekte ins Spiel kommen.
Berthold Rheydt, der erneut seine seit fünf Jahren vermisste und für tot erklärte Frau Elisabeth gesehen zu haben glaubt, begreift, dass er sich der Vergangenheit und seinem Trauma stellen muss, bevor er Helene heiraten kann. Er begibt sich an den Ort seiner Jugend, Föhr. Dieser Handlungsstrang ist eine perfekte Abwechslung zu den Vorgängen in Hamburg und macht die Lektüre noch kurzweiliger als sie aufgrund des ständigen Perspektivwechsels zwischen den Protagonisten ohnehin schon ist.
Die Charaktere sind gründlich ausgearbeitet, nur der Ehemann von Helenes bester Freundin Paulina wird erneut extrem schurkig porträtiert.

Fazit
Ein weiterer unterhaltsamer Roman um die Hafenärztin Anne und ihre Freunde, der verschiedene Aspekte der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg beleuchtet und weitgehend realistisch anmutet, lediglich am Ende wird ein wenig zu viel „Heile Welt“ vermittelt!