Ein atmospärischer Roman um eine mutige Frau

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Im Ullstein Verlag erscheint der historische Roman von Henrike Engel mit dem Titel "Die Hafenärztin - Ein Leben für die Freiheit der Frauen".

Hamburger Hafen, 1910: Anne Fitzpatrick arbeitet in einem Frauenhaus, dem Verein Frauenwohl. Sie möchte Frauen helfen, denen von Männern Leid angetan wurde. Die mutige Pastorentochter Helene möchte mitarbeiten, die Hauswirtschaftsschule füllt sie nicht aus und sie möchte etwas Sinnvolles tun. Kurz darauf werden in der Nähe im Hafenbecken zwei Frauenleichen entdeckt. Kommissar Berthold Rheydt findet heraus, dass die Opfer Kontakt zur neuen Frauenbewegung hatten, genau wie Anne. Offiziell spielt die Polizei die Verbrechen als Morde im Milieu herunter. Aber Berthold ermittelt weiter und sucht nach den Hintergründen der Taten. Auch Anne sucht gemeinsam mit Helene nach Antworten und gerät dabei immer mehr in Gefahr.

Der Auftaktband der dreiteiligen Reihe um die Ärztin Dr. Anne Fitzpatrick startet im Hamburg der Kaiserzeit damit, dass Anne fluchtartig nach über 10 Jahren aus England in ihre Heimat Hamburg zurückkehrt. Sie sieht ihre Lebensaufgabe darin, Frauen zu helfen und baut im Hamburger Hafen den Verein Frauenwohl auf. Dort sollen hilfsbedürftige und unterdrückte Frauen medizinische und lebensnotwendige Unterstützung finden. Doch damit macht sie sich nicht gerade beliebt, die Männerwelt ist noch nicht bereit für selbständige und emanzipierte Frauen und deshalb droht ihr Projekt zu scheitern.

Die zweite Protagonistin ist die Pastorentochter Helene Curtius, die in einem lieblosen Haushalt groß wird und sich für ihre Zukunft etwas anderes ausmalt, als gut verheiratet einen Haushalt zu führen. Helene interessiert sich für das Frauenwahlrecht, sie ist fasziniert von der selbständigen und emanzipierten Anne und sucht ihre Nähe. Beide verstehen sich gut und Anne unterstützt Helene und macht ihr Mut, ihre Lebensvorstellungen umzusetzen.

Die dritte Hauptfigur im Buch ist Kommissar Berthold Rheydt, der sehr unter dem Verlust seiner Familie leidet und sich als Trainer beim FC St. Pauli engagiert und wie besessen an der Aufklärung der Hafenmorde arbeitet. Er setzt neue Massstäbe bei der Ermittlung an und untersucht den Tatort und sogar Fingerabdrücke. Ihm wird klar, dieser Täter hat nicht zum ersten Mal gemordet und seine Taten scheinen einem Muster zu folgen. Doch wo liegt der Schlüssel zu diesem Muster?

Gepackt hat mich diese bildhaft geschilderte Geschichte von Beginn an und ich habe den herrschenden Zeitgeist mit den Unterschieden zwischen Arm und Reich, Wohlstand und Not, Unterdrückung von Frauen und politischem Kalkül regelrecht aufgesaugt. Durch die wechselnden Erzählstränge bekommt man einen direkten Kontakt zu den Figuren und erlebt alls hautnah mit. Der Kriminalstrang sorgt für die nötige Spannung, die durch weitere Übergriffe immer wieder die Geschichte antreibt.

Die Charaktere hat Henrike Engel mit vielen Facetten versehen und alle wirken sehr authentisch. Bei Anne Fitzpatrick wird schnell klar, sie musste London aus unbekannten Gründen verlassen, welches Geheimnis dahinter steckt, wird noch nicht voll erklärt. In Hamburg setzt sie sich für hilfsbedürftige Frauen ein und bietet damit einigen Männern eine Angriffsfläche. Hilfsstellen und Frauenvereine sind hier nicht gern gesehen.

Die ganze Geschichte ist sehr zeitbeschreibend und spannend zu lesen. Wir nehmen teil am Leben der Menschen im damaligen Hamburg, wo langsam, aber sicher die Suffragettenbewegung aus England bzw. Amerika auch hier Fuß fasste. Immer mehr Frauen engagierten sich für das Frauenwahlrecht und gingen dafür auf die Straße.

Es ist ein sehr interssanter und abwechslungsreicher Roman, der quer durch Hamburg führt und das Zeitgeschehen sehr bildhaft und glaubhaft darstellt.

Ein fesselnder, zeitbeschreibender und unterhaltsamer Roman über eine mutige Frauenfigur und ihre Mitstreiter:innen. Sehr zu empfehlen für historisch Interessierte, die aber auch Wert auf eine unterhaltsame Geschichte legen.