Guter Einblick in die Hamburger Gesellschaft des späten Kaiserreichs!

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Inhalt
Dr. Anne Fitzpatrick, eine gebürtige Hamburgerin, die die letzten fünfzehn Jahre in England gelebt hat, kehrt im Januar 1910 in ihre Heimatstadt zurück. Sie hat London nicht freiwillig verlassen, sondern musste nach einem Vorfall, bei dem sie sich offenbar strafbar gemacht, hat, fliehen. In Hamburg will sie ihre Arbeit zum Wohl unterprivilegierter Frauen fortsetzen, sie betreibt im Hamburger Hafen ein Haus, in dem Frauen aus der unteren Gesellschaftsschicht, auch Prostituierte, Schutz, eine warme Mahlzeit und auch kostenlose ärztliche Betreuung finden können. Zur Eröffnung kommt auch Helene Curtius, eine wohlbehütete Pastorentochter, die kein Interesse am vorgezeichneten Lebensweg als Ehefrau und Mutter hat, sondern sich lieber den Frauenrechtlerinnen anschließen und auch einen Beruf erlernen will. Die Eröffnungsfeier des Frauenhauses verläuft nicht wie geplant, denn genau an diesem Tag werden in zwei Schuten im Hafen die Leichen zweier Frauen aufgefunden, die ganz offensichtlich einem Psychopathen zum Opfer gefallen sind, der ihnen zuerst die Kehle aufgeschlitzt und dann den Brustkorb aufgebrochen hat. Kommissar Berthold Rheydt und seine Kollegen geraten bei den Ermittlungen unter Druck, als eine dritte Frau grausam getötet wird – alle Opfer bewegten sich im Umfeld des Frauenhauses. Auch Dr. Fitzpatrick fühlt sich bedroht…

Beurteilung
Bei dem Roman handelt es sich um eine Mischform zwischen historischem Roman und Krimi. Die Ermittlungen, die die Ergreifung eines offenbar triebgesteuerten Serienmörders zum Ziel haben, finden vor dem gut recherchierten Hintergrund der späten Kaiserzeit statt. Die Gesellschaft ist streng hierarchisch gegliedert, wobei den Frauen wenig Rechte zugestanden werden. Insbesondere gilt dies für die Frauen der Unterschicht, die Armut und täglicher Gewalt ausgesetzt sind. Gebildete Frauen, deren Anspruch über einen traditionellen Lebensentwurf hinausgeht und die sich für Frauenrechte im Allgemeinen sowie den Schutz von Unterprivilegierten im Besonderen einsetzen, haben es schwer. Konservative Politiker bekämpfen sie und auch in den eigenen Familien werden junge, noch minderjährige Frauen stark eingeengt. Für Männer ist es einfacher, sie können sich, auch wenn sie aus einfachen Verhältnissen kommen, aus eigener Kraft, z.B. im Polizeidienst, hocharbeiten. Die drei Protagonisten Anne Fitzpatrick, Helene Curtius und Berthold Rheydt stehen hier für angestrebte gesellschaftliche Veränderungen. Auch technische Fortschritte werden in der Arbeit der Polizei ersichtlich, bei den Ermittlungen werden Fingerabdrücke gesichert und die kurz zuvor von Karl Landsteiner entdeckten Blutgruppen sind in manchen Fällen hilfreich, Blutspuren bestimmten Personen zuzuordnen.
Die Ausgestaltung der Charaktere ist differenziert, im Falle von Dr. Fitzpatrick allerdings nicht ganz schlüssig, sie agiert oft unkontrolliert und unklug, was nicht recht glaubwürdig wirkt.
Der Erzählstil ist anschaulich und stellenweise sehr spannend, lediglich die zu ausführliche Schilderung von Fußballspielen der Polizeibediensteten ist etwas ermüdend und für den Handlungsverlauf eher überflüssig.

Fazit
Ein lesenswerter historischer Krimi, der einen guten Einblick in die Hamburger Gesellschaft des späten Kaiserreichs bietet!