Eine faszinierende Frau, beeindruckend geschildert

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Die Ururgroßmutter von Edvard Hoem war „Die Hebamme“ Marta Kristine Andersdatter Nesje. Alle Personen, über die hier zu lesen ist, haben tatsächlich gelebt, der Roman wurde auf Grundlage dokumentierter Fakten niedergeschrieben.

Los geht es im Jahre 1800 - da war Marta Kristine sieben Jahre alt - mit einer stürmischen Bootsfahrt hinüber nach Nesje auf die andere Seite des Romsdalsfjords. Hier hatte ihr Vater ein Altenteilerhaus gekauft, das von nun an ihr Zuhause sein wird. So viel lieber ein Kerl wollte sie sein und Kinder möchte sie auch nie haben, es gibt so viele, die sterben, wenn sie ein Kind bekommen. So denkt die kleine Marta und doch wird sie mit ihrem Hans eine Stube voller Kinder bekommen.

Marta ist nur eine Häuslertochter und für so eine stehen die Türen nicht offen. Hebamme möchte sie sein und so macht sie eine Ausbildung in Molde. Die Leute brauchen sie aber nicht, eine richtige Hebamme wäre sie erst, wenn sie sich in Christiania ausbilden lässt, also geht sie die 600 km zu Fuß, erfolgreich kehrt sie Monate später zurück um feststellen zu müssen, dass es trotzdem nicht leicht sein wird, die Frauen zu überzeugen. Die alten, festgefahrenen Rituale mischen immer mit, der Aberglaube tut ein Übriges, Zauberei und Hausmittelchen existieren Seite an Seite mit neuen Fortschritten der Geburtshilfe. Außerdem sind die meisten nicht mit Reichtümern gesegnet, viele können oder wollen sich eine Hebamme nicht leisten.

Mit ganz großen Erwartungen habe ich angefangen das Buch zu lesen und bin nicht enttäuscht worden, es hat mich regelrecht hineingesaugt in diese Geschichte. Der Autor erzählt von Marta Kristine als siebenjährige und endet mit der Hebammen-Stina als alte Frau. Ein gelebtes Leben mit vielen Tiefen, aber auch glücklichen Momenten und Zeiten machen dieses Buch zu etwas ganz besonderem. Ein ausdrucksstarkes Porträt einer bemerkenswerten Frau, die nie aufgab, sich so vieles erkämpfen musste. Der eigentlich nüchterne Erzählstil fesselt dennoch ungemein. Einblicke in den kargen, arbeitsreichen Alltag, ihre Sorgen und Nöte sind sehr anschaulich geschildert. Nicht immer wurden alle satt, aber irgendwie war es immer zu schaffen.

Zutiefst bewegt lege ich das Buch weg: Ein beschwerliches Leben im Norwegen vor 200 Jahren, das doch so reich war, voller Hindernisse aber auch voller Liebe. „Die Rechnung des Lebens geht nie ganz auf.“ Wie wahr!

Ein so eindringliches Bild über das Leben am Fjord, der so beeindruckenden Landschaft und dazu der noch nicht etablierte Beruf einer Hebamme, inmitten einer kinderreichen Familie, sind es wert, gelesen zu werden.