Pechmädchen

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Die Hennakünstlerin, Roman von Alka Joshi, 445 Seiten erschienen im HarperCollins Verlag.
Indien 1955 in einer Welt zwischen Tradition und Moderne, zwischen Überfluss und Armut kämpft eine Frau um ihre Zukunft.
Lakshimi ist in einer gewaltsamen Ehe unglücklich, sie verlässt ihren Ehemann und ihre Schwiegermutter die ihr die Ayurvedische Heilkunst nahegebracht hat und beginnt ein neues Leben in Jaipur. Aus ärmlichsten Verhältnissen arbeitet sie sich durch Fleiß und Können als Hennakünstlerin und Naturheilkundige in die höchsten Kreise der indischen feinen Gesellschaft empor, in den vornehmsten Häusern verwöhnt und verschönt sie die dekadenten Frauen der reichen Inder und muss sich dabei verbiegen um zu gefallen. Als sie zu einem bescheidenen Wohlstand und sogar zu einem eigenen Haus gekommen ist, erscheint ihre 13jährige Schwester, das Pechmädchen Radha. Lakshimis Vergangenheit holt sie ein und schon nach kürzester Zeit droht ihr, alles zu verlieren.
Das Buch umfasst 22 Kapitel die in vier Teile gegliedert sind. Am Anfang jedes Kapitels sind der Ort und das genaue Datum angegeben. Erzählt im Ich-Stil aus der Sicht der Protagonistin. Man kann sich die geschriebenen Szenen mühelos vorstellen und ist sich stets bewusst, dass die Handlung sich in Indien zuträgt. Die wichtigen Personen sind gut charakterisiert. Spannung ist vorhanden und steigert sich bis zum überraschenden Ende. Indische Ausdrücke sind kursiv gedruckt und werden im Glossar, am Buch-Ende erklärt, das hat mir sehr geholfen. Auch das Personenverzeichnis musste ich anfangs noch zu Rate ziehen, doch bald hatte ich mich an die Namen der agierenden Figuren gewöhnt. Bereichert wird das Buch durch Spezialitäten-Rezepte und das Rezept für eine Hennapasta am Ende. Das System der Kasten konnte man dort auch finden, eine aufschlussreiche Information.
Was für ein bezauberndes Buch, ständig hatte ich das Gefühl in einem orientalischen Märchen angekommen zu sein. Alka Joshi hat es geschafft, in ihrer bildmalerischen und flüssigen Art zu schreiben, mich komplett zu verzaubern. Die Düfte, die Farben, die Speisen und die indische Lebensart haben mich mitgerissen und nicht mehr losgelassen. Erst als der Schlusspunkt gesetzt war konnte ich das Buch aus der Hand legen. Das Leben kurz nach der Kolonialisierung war für Frauen in Indien schwer, vor allem für Alleinstehende und Frauen aus den niederen Schichten. Doch auch die Maharanis hatten kein leichtes Leben, im Buch sehr gut beschrieben. Wohlhabende Frauen hatten in dieser Zeit Angestellte ihre Zeit verbrachten sie mit Partys, Klatsch und Tratsch und Intrigen. Die Geschichte über Lakshimis Fleiß und ihr Emporkommen fand ich überwältigend, dass sie charakterlich hart geworden ist, wundert mich kaum. Eine unsympathische Figur war für mich Radha, die Schwester der Protagonistin. Für ihre entbehrungsreiche Kindheit hat sie Lakshimi verantwortlich gemacht. Stur, besserwisserisch und naiv, bringt sie ihre eigene Schwester an den Rand des Ruins. Immer wieder schafft sie es durch ihr trotziges Verhalten Lakshimi in noch größere Schwierigkeiten zu bringen, von Dankbarkeit jedoch keine Spur. Dafür hatte ich viel Spaß an Malik, dem Helfer der Hennakünstlerin.
Die Hennakunst hat mich schon immer fasziniert, ich finde Mehndi-Tattoos fabelhaft, leider nicht in unseren Kulturkreis passend. Bisher dachte ich, dass es nur eine schmückende Kunst, auch mit religiösem oder kulturellem Hintergrund ist, dass dieser Körperbemalung auch eine erotische Komponente hat, dessen war ich mir bisher nicht bewusst.
Ich habe vieles gelernt und erfahren, habe mich in ein Märchen aus 1001 Nacht entführt gefühlt, ich habe das Buch rundherum genossen und hoffe auf eine Fortsetzung. Eine absolute Leseempfehlung von mir, dazu 5 Sterne.