Konnte mich nicht überzeugen

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pmelittam Avatar

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Uta von Ballenstedt wächst auf der Burg eines despotischen Vaters auf. Als er eines Tages entdeckt, dass ein Knappe sie bedrängt, gibt er ihr die Schuld dafür und will sie verstoßen. Ihre Mutter lässt sie daraufhin vor dem Vater in Sicherheit bringen, wird von diesem dafür aber hart bestraft und stirbt kurz darauf. Uta ist sicher, dass ihr Vater am Tod der Mutter Schuld hat und will Gerechtigkeit. Da diese für Frauen zur damaligen Zeit fast unmöglich durchzusetzen ist, hat Uta einen langen Weg vor sich.

Uta von Naumburg (vor ihrer Heirat Uta von Ballenstedt) ist eine reale historische Persönlichkeit, die man vor allem aus vielen Kreuzworträtseln kennt, sie ist eine der Stifterfiguren im Naumburger Dom. Über ihr tatsächliches Leben ist so gut wie nichts bekannt. Claudia und Nadja Beinert haben daher, vor dem tatsächlichen historischen Hintergrund, ihr Leben so erzählt, wie es den beiden Autorinnen möglich schien.

Leider ist ihnen das meiner Meinung nach nicht wirklich gut gelungen. Das fängt schon einmal bei den Charakteren an. Die meisten sind recht oberflächlich und wenig facettenreich gezeichnet, wenige erschienen mir authentisch bzw. in ihren Gefühlen und Handlungen nachvollziehbar charakterisiert. Schon Uta ist für mich kaum greifbar. Zum Einen wird sie als sehr klug auch sehr lernfähig dargestellt,  zum Anderen handelt sie oft unglaublich naiv und unbedacht, hat absolut keine Menschenkenntnisse und lernt oft nicht aus ihren Fehlern. Wenn man die Naumburger Figur sieht, sieht man eine selbstbewusste Frau. Die Uta im Buch ist unsicher, leicht zu beeinflussen und hat wenig Selbstbewusstsein. Auch muss sie auf Ihr Umfeld sehr wunderlich gewirkt haben, sie führt ständig Selbstgespräche oder murmelt vor sich hin ansonsten haucht oder flüstert sie viel.

Viele der Charaktere sind sehr einseitig, teilweise überzeichnet „böse“ und machen auch im Laufe der Handlung keine Entwicklung durch. Für mich sind es einfach zu viele solcher Personen, die mir zudem nicht alle handlungsrelevant erscheinen und daher wohl nur aus dramaturgischen Gründen so gezeichnet wurden. Doch wie viel spannender hätte es sein können, hätte man eine Veränderung feststellen können oder wäre zumindest eine nachvollziehbare Motivation zu erkennen gewesen. Einzig bei Utas Ehemann Ekkehard kann man da eine tiefergehende Charakterzeichnung feststellen.

Natürlich gibt es auch die eine oder andere Figur, die ich mochte, allen voran Katrina, Utas Magd in Naumburg, die so dargestellt wurde, wie ich Uta gerne gesehen hätte: Aufgeweckt, loyal und mutig. Auch Gisela gefällt sehr gut, sie zeigt, dass Frauen zu jener Zeit durchaus auch etwas zu sagen hatten.

Die Geschichte an kann mich gesamtheitlich gesehen auch wenig überzeugen. Einige Passagen haben mir gut gefallen, z. B. Utas Jahre am Hof, auch das Leben im Stift wurde schön dargestellt (sieht man einmal von o. g. Problemen der überzeichnet „Bösen“ ab). Hier hat man das Gefühl einen schönen historischen Roman zu lesen.

Weniger gefallen haben mir zwei der Haupthandlungsstänge: Die Liebesgeschichte und Utas Suche nach Gerechtigkeit, zumal beides auf reiner Fiktion beruht. Ob diese beiden Handlungsstränge nötig sind, mag dahin gestellt sein, zumindest auf die Liebesgeschichte hätte man verzichten können und Uta vielleicht eine glückliche Ehe gönnen können, vieles schien mir in diesem Zusammenhang an den Haaren herbei gezogen. Auch die Storyline um Utas Suche nach Gerechtigkeit für ihre Mutter finde ich oft störend, zumal sie am Ende recht makabre Ausmaße annimmt. Utas Interesse an Bildung hätte man auch anders erklären können. Ab etwa Mitte des Buches steht dann der Kathedralenbau im Mittelpunkt, der dem Roman letztlich auch seinen Namen gibt. Diesen Handlungsstrang finde ich recht interessant.

Die Sprache ist ziemlich pathetisch-schwülstig, soll wohl ein Flair von Mittelalter verströmen, teilweise empfinde ich sie etwas albern und öfter regelrecht kitschig. Mein Kitsch-Barometer hat auch sonst mehr als einmal ausgeschlagen, gegen Ende immer mehr, z. B. bei den Begegnungen Utas mit ihrer Schwester. Hier sind mir auch sehr oft Wiederholungen aufgefallen, mehrmals kurz hintereinander z. B. „Wir sind die Töchter der Hidda von Lausitz“ (als eine Art Durchhalteparole), für mich ist das zunehmend nervig gewesen. Gestört hat mich auch, wenn bekannte Worte wie Reliquie durch ein deutsches Wort, hier Überbleibsel, ersetzt werden, auf mich wirkt das wenig authentisch.

Für einen guten historischen Roman hat mir auch ein bisschen Ausstattung gefehlt. Ein Nachwort zu Fakten und Fiktion ist vorhanden, ebenso ein Personenverzeichnis, das mir wegen seines Humors gut gefallen hat, das aber auch ein paar Spoiler beinhaltet. Gefehlt hat eine Karte und leider auch eine Zeittafel. Der Roman hat große zeitliche Sprünge, die leider nicht gekennzeichnet sind, eine Zeittafel wäre sehr schön gewesen, besser noch wäre gewesen, wären jeweils Zeitangaben vorangestellt worden.

Mir ist nicht ganz klar, wer die Zielgruppe des Romans sein soll. Freunde gut recherchierter historischer Romane? Dafür hält sich die Geschichte zu wenig an historisch überlieferten Tatsachen bzw. werden die Leben historischer Personen zu sehr verändert, ist die Geschichte insgesamt zu fiktiv und fehlen o. g. Extras. Liebhaber von Liebes- und Lebensgeschichten vor historischen Hintergründen ohne Anspruch auf historische Genauigkeit? Dafür gibt es zu viel Theorie, z. B. was den Kathedralenbau angeht.

Insgesamt fehlt es dem Roman an Spannung. Es gibt zwar, vor allem gegen Ende einige Wendungen, die kommen aber, liest man aufmerksam, nicht überraschend. Es fehlt, zumindest für mich, eine Identifikationsfigur, die Geschichte ist nicht immer logisch und nachvollziehbar, meine Erwartungen wurden leider nicht erfüllt. Der historische Hintergrund ist zwar gut recherchiert, die persönlichen Geschichten jedoch beruhen fast nur auf Mutmaßung, Mutmaßungen, die ich nicht immer teilen kann. So hat mir hat der Roman nicht besonders gefallen und so kann ich ihn leider auch nicht weiterempfehlen. Ich kann leider nur knapp 3 Sterne geben.