Hochdramatisch oder durchweg reserviert?

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franci Avatar

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Spannender Plott, der den Leser an moralische Grenzen treibt, jedoch in der Umsetzung nicht überzeugen konnte.

… zuallererst ist die Übersetzung maximal befriedigend, hier wurde, meiner Auffassung nach, an Sorgfalt gespart, ebenso fehlten eine handvoll Worte und Endungen.

Was als dramatisch beworben wurde, verlief eher reserviert und emotionslos. Selten empfand ich wirklich Spannung, wenn auch gen Ende einige Überraschungen warten und jeder der Hauptcharaktere für sich genommen interessante, vielschichtige Persönlichkeiten abgaben.

Dr. Anna Jones, die bereits vor den Ereignissen, die sie vor eine unzumutbare Wahl stellten, eindeutig labil, von Zwängen geplagt und am Limit ihrer Kräfte lebte, driftet im Verlauf immer mehr in einen Zustand ab, der Gänsehaut und Mitleid verursacht. Obgleich sie in der Interaktion mit anderen kühl, überlegen und berechnend wirkt, konnte ich ihr Verhalten, ihre Gedanken und ihre Entscheidungen nachvollziehen.

Zu der Perspektive der Herzchirurgin gesellten sich noch zwei weitere:
Jene, der kleinkriminellen, verzweifelten Krankenschwester Margot. Die plötzlich nicht nur mit einem Bein im Knast, sondern mit dem anderen im Grab steht.
Und jene der, im Mordfall von Annas Nachbarin, zuständigen Ermittlerin Rachel Conaty, die aus einem persönlichen Antrieb heraus genauer ermittelt. Alle drei Protagonistinnen kämpfen mit schweren Problemen, deren beharrliche Erwähnung für mich fraglich schien, konkurrierten diese Zusätze doch auf gewisse Weise miteinander.

»Die Herzchirurgin« wirkte auf mich zu voll und konstruiert, dennoch ebbten weder Erwartungen noch Neugier gänzlich ab. Detaillierte Beschreibungen ermöglichten es, das Geschehen vorstellbar zu verfolgen, während die unterschwellige Bedrohung, die auf jede Seite mitschwingt, durch den distanzierten, nüchternen Tonfall verstärkt wurde.