Bewegende und aufschlussreiche Einblicke in die jüdische Liebes- und Glaubenswelt

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minjo Avatar

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Das junge jüdische Ehepaar Chani und Baruch sind nach ihrer Hochzeit nach Jerusalem gezogen, wo Baruch für das Rabbinerdasein studiert und Chani in einem Blumenladen arbeitet. Nach der Hochzeit steigt die Erwartungshaltung an das junge Paar, bald Nachwuchs zu präsentieren, doch auch zehn Monate danach bleibt die erhoffte Schwangerschaft aus und der Druck von Außen nimmt immer mehr zu. Schließlich wissen sie sich nicht anders zu helfen, als Baruch's wohlhabende Eltern um finanzielle Unterstützung zu bitten, damit sie in London Hilfe in einer Kinderwunschklinik suchen können. Natürlich ist es für Frau Levy, Chani nicht gerade wohlgesonnener Schwiegermutter, sonnenklar, dass der "Fehler" nur an Chani liegen kann und versucht hinter dem Rücken des Paares ihre Strippen zu ziehen. Doch in London trifft Chani zufällig ihre Brauthelferin, die ehemalige Rebbetzin Rivka Zilberman wieder, die sich entgegen aller jüdischen Konventionen von ihrem Ehemann und ihren Kindern getrennt hat und versucht, sich ein neues Leben aufzubauen. Die Gespräche mit Rivka helfen Chani schließlich, eine für sie und Baruch mutige Entscheidung zu treffen...

Zum Buch:
"Die Hoffnung der Chani Kaufman" ist bereits der zweite Roman von Eve Harris nach "Die Hochzeit der Chani Kaufman". Man braucht jedoch den ersten Teil nicht gelesen zu haben, um sich beim Nachfolger zurechtzufinden. Die Erzählperspektiven wechseln hauptsächlich zwischen Chani, Baruch, Rivka und deren Mann und Kinder. So lernt man die Charaktere besser kennen, was das Verständnis für die jüdische Liebes- und Glaubenswelt stärkt, die voller Regeln und Rituale ist und für Leser der nicht-jüdischen Welt wahrscheinlich fremd und unverständlich wirkt. Im Anhang gibt es ein Glossar mit den im Buch vorkommenden jiddischen Begriffen.

Persönliche Meinung:
Dies ist mein erster Roman der Autorin und ich bin von ihrem Schreibstil wirklich beeindruckt: zart, feinfühlig und doch stark und bildgewaltig erzählt sie von diesen eh schon - für Juden sicher noch sensibleren - Themen unerfüllter Kinderwunsch, Unfruchtbarkeit, Abhandenkommen des Glaubens, Abwendung von der eigenen Familie und der Gemeinde. Mir hat es geholfen, einige Zusammenhänge und Hintergründe des jüdischen Lebens und Glaubens besser zu verstehen. Dennoch war ich auch schockiert über die Naivität und Unaufgeklärtheit der jungen Leute in Bezug auf ihren eigenen Körper oder darauf, wie z.B. ein Baby entsteht und ich fragte mich, ob das wirklich in der heutigen Zeit möglich sein kann. Auch die absolute Hingabe an HaSchem und das Nicht-Infragestellen der hauptsächlich von Rabbis festgelegten Gesetze und Regeln fielen mir schwer, nachzuvollziehen. Ich denke, man muss in diese Welt hineingeboren werden, um dies alles zu akzeptieren und danach zu leben. Am Beispiel von Rivka, die erst durch ihre Heirat mit Chaim in diese Welt aufgenommen wurde, kann man sehr gut nachvollziehen, wie schwierig es ist, sich zu 100 % und ein Leben lang darauf einzulassen.
Die Protagonisten sind mir schnell ans Herz gewachsen und ich habe mit ihnen mitgelitten. Auch Gemeinsamkeiten zum eigenen Glauben habe ich entdeckt, u.a. dass die größten Frömmler oft genauso heuchlerisch sind, egal, um welche Religion es sich handelt.
Allerdings fand ich es ziemlich mühsam, die vielen jiddischen Begriffe während des lesens im Anhang nachzuschlagen. Dies hat den Lesefluss doch sehr behindert und ich hätte mir gewünscht, dass die jeweilige Übersetzung in der Fusszeile derselben Seite zu lesen ist, was das Lesen wirklich vereinfacht hätte.

Fazit:
Wer einmal über den eigenen Tellerrand schauen und mehr dazu erfahren möchte, wie Themen wie unerfüllter Kinderwunsch in der jüdischen Kultur behandelt werden, bekommt hier eine einfühlsame Einführung in Form einer sehr eindrücklichen und berührenden Liebesgeschichte. Lesenswert!