Fehlende Selbstbestimmung

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desirée Avatar

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"Die Hoffnung der Chani Kaufman" erlaubt den Leser:innen Einblicke in die Lebenswelt einer ultraorthodoxen, jüdischen Gemeinde.
Im Mittelpunkt steht die frisch verheiratete Chani Kaufman, die gemäß den Erwartungen der Gemeinde versucht, schwanger zu werden. Dies gelingt allerdings nicht, was jedoch nicht an einer grundlegenden Unfruchtbarkeit Chanis liegt, sondern an den strengen ultraorthodoxen Regeln, die den Beischlaf nur zu bestimmten Zeiten erlauben. Zu diesen Zeiten hat Chani allerdings keinen Eisprung.

Ich habe den Roman sehr gerne gelesen, der einen intensiven Einblick in die vielen strengen Regeln und Traditionen der jüdisch-orthodoxen Gemeinde ermöglicht. Es ist erschreckend, wie sehr die Rabbiner die Menschen und insbesondere die Frauen mit ihren Regeln in ihrer Selbstbestimmtheit begrenzen. Chani entwickelt im Laufe des Romans eine innere Kritik an der Macht der Rabbiner und fängt an, die Gesetze zu hinterfragen, die sie daran hindern ein Kind zu bekommen. Das hat mir grundsätzlich sehr gut gefallen, allerdings hätte ich mir hier noch etwas mehr Tiefe bei der Charakterentwicklung gewünscht. Am Ende ging es mir mit Chanis Geschichte etwas zu schnell.

Besonders gerne habe ich den Handlungsstrang um Rivka und ihre Familie gelesen. Rivka hat den Schritt gewagt und die Gemeinde verlassen. Als Leser:innen begleiten wir sie in ihrem neuen und zum Teil sehr einsamen Leben in London. Das Buch zeigt, wie schwer es Aussteiger:innen haben, wie sie ihre Kinder aufgeben, ihr Leben neu beginnen müssen. Das hat mich wirklich sehr berührt und mir gleichzeitig auch verdeutlicht, wie erbarmungslos diese ultraorthodoxen Gemeinden handeln.

Der Roman ist ausgesprochen informativ und gleichzeitig sehr einfühlsam und berührend geschrieben. Ich empfand auch die Einbindung der vielen jiddischen Begriffe als sehr gelungen. So wirkten die Dialoge noch einmal mehr authentischer.