Gute alte Tradition ?

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Mit "Die Hoffnung der Chani Kaufman" entführt uns Eve Harris wieder in die Welt der orthodoxen Juden im Londoner Stadtteil Golders Green.
Nachdem Chani den Mann geheiratet hat, den sie liebt und nicht einen, der für sie ausgesucht wurde, sollte sie eigentlich glücklich sein. Sie lebt jetzt mit ihrem geliebten Baruch in Jerusalem wo er eine berühmte Jeshiwa besucht, aber etwas fehlt noch zu ihrem Glück: ein Baby, das sich auch nach etlichen Ehemonaten noch nicht eingestellt hat.
Also geht es zurück nach London, wo sich das Paar in einer teueren Fruchtbarkeitsklinik untersuchen läßt. Das Ergebnis ist niederschmetternd, obwohl sie beide gesund und fruchtbar sind, werden sie nicht schwanger. Eine Ärztin weiß, wie man ihre Probleme umgehen könnte, aber vor den Preis einer Schwangerschaft hat der orthoxe Glauben viele Hürden gesetzt.

Ein zweiter Erzählstrang des Romans befasst sich mit der (ehemaligen) Rebbezin Rivka, die ihren Mann verlassen hat und sich jetzt Einsamkeit und Anfeindungen ausgesetzt sieht.
Auch Rivkas ältester Sohn Abraham ist nicht eben glücklich mit seinem Leben an einer Jeshiwa in Jerusalem. Weil er es in der Enge dieser Umgebung nicht mehr aushält, gönnt er sich eine kleine Auszeit in Tel Aviv, Dass dieser Trip sein ganzes Leben verändern wird, hat er nicht geahnt.

Diese Protgonisten sind durchweg sympathische Menschen, denen man nur das Beste wünscht, die aber an ihrer Umwelt zu scheitern scheinen.
Eve Harris setzt sich mit der jüdisch-orthodoxen Lebensweise recht kritisch auseinander. So beschreibt sie den Druck, der auf Chani lastet ganz unbeschönigt, da ist die Schwiegermutter, die schon eine neue Braut für ihren Sohn sucht und die Rabbiner und der Gemeinde angehörigen Ärzte, die kompromisslos an ihren verknöcherten Ansichten festhalten ohne das menschliche Elend zu sehen.
Rivkas Leben nach ihrem Weggang aus der Gemeinde ist nur grausam. Sie darf ihre Kinder nicht sehen, die Tochter meidet sie vollkommen, der jüngste Sohn wird von ihr ferngehalten. Kontakt hat sie nur zu Abraham. Ihr Mann liebt sie zwar noch, beugt sich aber seiner Gemeinde und läßt sich scheiden. Auch vor Gewalt wird nicht zurückgeschreckt, Rivka wird bedroht und zusammengeschlagen um endlich in die Scheidung einzuwilligen.
Auf einem glücklichem Weg ist Abraham, der nach einer wilden Nacht ausgeraubt und halb nackt in Tel Aviv bei einem alten Rabbiner Zuflucht und zu sich selbst findet, ohne seine jüdische Identität aufzugeben.
Trotz aller Kritik an den alten, zum Teil fragwürdigen Traditionen ist Eve Harris Buch versöhnlich, weil es immer noch eine Hoffnung gibt, wenn man sich nicht selbst aufgibt.