Im Spannungsfeld von Religion und Selbstbestimmung

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jens1991 Avatar

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Eigentlich müsste Chani überglücklich sein. Sie lebt in einer jüdisch-orthodoxen Gemeinde und hat den Mann geheiratet, den sie sich selbst ausgesucht hat. Dies ist keine Selbstverständlichkeit und hat einige Kontroversen ausgelöst. Doch es gibt ein großes Problem, denn sie wird einfach nicht schwanger. Chani ist zunehmend verzweifelt, denn ohne Kinder kann ihr Mann sie verstoßen. Und so beginnt eine Odyssee zwischen Kinderwunschklinik, Rabbis und ihrer teuflischen Schwiegermutter.

Die britische Autorin Eva Harris legt mit “Die Hoffnung der Chani Kaufman” bereits den zweiten Roman rund Chani und Baruch vor und entführt in die Welt einer jüdisch-orthodoxen Gemeinde zwischen London und Jerusalem. Der Roman bietet durchaus spannende Einblicke, hat mich aber teilweise sehr traurig und wütend zurückgelassen. Hier zeigt sich eindrucksvoll, was passiert, wenn Religion zu sehr in den Alltag von Menschen eingreift. Die Protagonist:innen sind zwar größtenteils damit aufgewachsen, das System verursacht aber einen großen Leidensdruck und führt zu aberwitzigen Widersprüchen. Eva Harris zeigt ein Patriarchat, in dem Frauen versuchen, ihren eigenen Weg zu gehen und hierbei immer wieder auf scheinbar unüberwindbare Mauern stoßen. Die Ausbruchsversuche machen Hoffnung, hinterlassen beim Leser aber auch einige Fragen. Sprachlich (ins Deutsche übersetzt von Kathrin Bielfeldt) liest sich der Roman wirklich angenehm. Die vielen jiddischen Begriffe werden in einem eigenen Glossar erklärt. Insgesamt ein interessanter Roman im Spannungsfeld von Religion und Selbstbestimmung.