Parallelwelt in Golders Green

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johannaberger Avatar

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Ganz weit weg von unserer Lebenswelt!

Im Londoner Stadtteil Golders Green leben orthodoxe Juden in einer Parallelwelt. In Eve Harris‘ Roman gehören die Kaufmans, die Levys und die Zilbermans dazu. Man ist stolz, die Söhne in die Talmudschule nach Jerusalem zu schicken. Töchter warten sittsam auf den Bräutigam, den ihnen die Heiratsvermittlerin ausgesucht hat. Nach der Hochzeit versteckt man als brave Ehefrau das eigene Haar unter einer Perücke und wartet auf die erste Schwangerschaft. Kinder zu bekommen ist neben der Frömmigkeit erklärter Lebensinhalt.

Unglücklicherweise ist Chani Kaufman auch viele Monate nach der Hochzeit mit Baruch Levy noch nicht guter Hoffnung. Grund für abgrundtiefe Verzweiflung. Die böse Schwiegermutter sucht derweil sicherheitshalber schon eine geeignetere Frau für ihren Sohn aus. Bei Kinderlosigkeit droht Scheidung.

Furchtbare Zustände. Auch für Rivka Zilberman, die Frau des Rabbis, die es nach vielen Jahren wagt auszubrechen und von einem Schläger der Gemeinde überfallen wird, weil sie es gewagt hat, ihren jüngsten Sohn zu sehen, der beim Vater zurückgeblieben ist. Der ältere Sohn Avromi versucht sich in Jerusalem unter vielen Seelenqualen aus den Fesseln der Orthodoxie, dem „Fließbandleben“, wie er es nennt, zu befreien.

Eve Harris erzählt abwechselnd vom Leben der Levys und der Zilbermans. Das Buch ist dabei nicht todtraurig. Die Autorin, die sich in dieser Gesellschaft gut auskennt, beschreibt die eigentlich groteske Szenerie oft ironisch, so beispielsweise die Verhandlung zwischen Mrs. Levy und der Heiratsvermittlerin. Die Hauptfiguren wirken authentisch, keine Abziehbilder ihrer Glaubenszugehörigkeit. Mit Ausnahme der bösen Schwiegermutter Chanis, die zu sehr in das Muster der bösen Hexe passt.

Wirklich spannend. Ein Pageturner.

Aus dem Englischen übersetzt von Kathrin Bielfeldt.