Vermehret euch

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wilde hummel 1 Avatar

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Diogenes begeistert immer wieder durch seine gelungenen Buchcover. Eine Frau, ein Auge blind hinter dem Liebesapfel verborgen, das andere blickt offen und sieht klar. Eve Harris widmet sich in ihrem zweiten Roman der Fortsetzung der Geschichte des jüdisch-orthodox geprägten Lebens von Chani Kaufmann nach ihrer Hochzeit mit Baruch. Und auch hier spielen die strengen Regeln der orthodoxen Gemeinschaft eine zentrale Rolle. So muss oder sollte eine verheiratete Frau Kinder gebären, streng nach der (Vor)-Schrift: seid fruchtbar und vermehret euch. So wird der Kinderwunsch zum Gebärzwang. Aber die Tora und der Körper von Chani sind eben nicht ganz passgenau. Und hier wird der Konflikt zwischen Religion und persönlicher Wirklichkeit lebendig. Chani und Baruch besuchen in London eine Geburtsklinik, stehen unter Beobachtung der intriganten Schwiegermutter, die bereits heimlich eine Heiratsvermittlerin aufsucht, um ihrem Sohn eine gebärfreudige Jungfrau als Nachfolgerin von Chani zukommen zu lassen. Eve Harris beschreibt dies alles mit der besonderen Brise englischen Humors. Auch das Schicksal der anderen Familienangehörigen, z.b der Aussteigerin aus der abgegrenzten, strengen jüdisch-orthodoxen Gemeinde inmitten von London ist empathisch beschrieben. Als Leserin habe ich viel erfahren aus dieser in sich sehr geschlossenen Religionsgemeinschaft mit ihren vorwiegend von Männern erstellten Regeln und Ritualen. Ein kleiner Wermutstropfen waren für mich die vielen jüdisch/hebräischen Begriffe, die ich immer wieder im Glossar nachschlagen musste und die den Lesefluss leider immer unterbrochen haben. Hier wäre eine Klammern gesetzte Übersetzung oder eine Fußnote besser gewesen. Ansonsten ein sehr lesenswerter Einstieg in eine mir bislang relativ fremde Welt einer Religionsgemeinschaft. Und das Buch kann unabhängig vom ersten Roman gelesen werden.