Atmosphäre ja – Tiefgang leider nicht

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piet1990 Avatar

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„Die Hummerfrauen“ von Beatrix Gerstberger hat mich durch das ungewöhnliche Setting in einem kleinen Fischerdorf in Maine neugierig gemacht – und gerade die Atmosphäre ist auch tatsächlich eine der Stärken des Buches. Ich mochte die bildhafte Sprache und konnte mir das raue Leben am Meer sehr gut vorstellen. Auch das Cover mit dem Hummer ist gelungen und passend zur Geschichte.

Im Zentrum stehen drei Frauen aus unterschiedlichen Generationen: Ann, Julie und Mina. Während mir Ann mit ihrer stoischen Art und ihrem Hummer „Mr. Darcy“ sofort sympathisch war, blieb mir vor allem Mina überraschend blass. Ihre innere Zerrissenheit wurde zwar angedeutet, aber für meinen Geschmack nicht ausreichend greifbar gemacht. Einige Beziehungen – besonders zwischen Mina und ihrer Mutter – wurden angerissen, aber nicht wirklich vertieft. Schade, denn hier hätte viel Potenzial für emotionale Tiefe gelegen.

Der Schreibstil ist klar und ruhig, aber teilweise auch etwas zu distanziert. Ich hatte häufig das Gefühl, durch Szenen geführt zu werden, ohne wirklich emotional involviert zu sein. Auch dramaturgisch blieb das Buch für mich zu zurückhaltend – einzelne interessante Fäden verlaufen im Nichts, und die Spannungskurve flacht oft ab, bevor sie überhaupt richtig Fahrt aufnehmen kann.

Trotzdem: Die Beschreibungen des Alltags, das maritime Flair und die weiblichen Perspektiven haben etwas Beruhigendes. Es ist ein ruhiger Roman mit viel Atmosphäre – nur leider hat mir am Ende das Gefühl gefehlt, dass etwas wirklich bewegt wurde.

Fazit:
Ein Buch mit viel Atmosphäre und starker Kulisse, das aber erzählerisch und emotional nicht voll überzeugt. Wer Lust auf ruhige, feinfühlige Sommerlektüre mit Küstenflair hat, wird hier fündig. Wer Tiefe, Spannung oder komplexe Figurenentwicklung sucht, wird vermutlich enttäuscht.