Beeindruckende Frauen

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coni90 Avatar

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Manchmal stolpert man über ein Buch, das einen unerwartet packt – genau so ging es mir mit "Die Hummerfrauen". Schon nach wenigen Seiten war ich mittendrin in der rauen, salzigen Welt an der Küste von Maine. Eigentlich dachte ich ja immer, dass Hummerfischen eher was für Männer ist, aber ich wurde eines besseren belehrt. Beatrix Gerstberger hat sich mit "Hummerfrauen" getroffen, die diesen Knochenjob erledigen und wartet im Roman mit gleich drei Frauen auf, die diesem Job nachgehen.

Was mich gleich begeistert hat, war der Schreibstil. Klar, direkt und gleichzeitig atmosphärisch – er hat mich sofort in den Bann gezogen. Die Figuren sind herrlich schroff, manchmal fast barsch, aber nie unecht. Im Gegenteil: Gerade dadurch wirken sie klar und wunderbar authentisch. Sie haben den Mund vielleicht ein bisschen zu weit vorne, aber das Herz definitiv am richtigen Fleck.

Die Geschichte springt immer wieder zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her. Diese Rückblenden haben meinen Lesefluss nicht gestört – im Gegenteil. Ich habe sie regelrecht herbeigesehnt, weil die Geheimnisse der Vergangenheit so geschickt angeteasert wurden, dass ich unbedingt wissen wollte, was damals passiert ist.

Im Zentrum stehen Ann, Julie und Mina – drei Frauen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Ann, mit ihren 72 Jahren, lebt allein mit Mr. Darcy, ihrem blauen Hummer, der einfach nicht im Meer bleiben will. Julie, 54, ist direkt, manchmal scharf im Ton, aber eine Frau mit großem Herzen und Durchsetzungskraft. Und Mina, die Jüngste, die im Dorf nicht unbedingt leicht Fuß fasst, war für mich am wenigsten greifbar, aber dennoch ein spannendes Puzzlestück.

Gerstberger schildert das karge Leben im Fischerdorf eindringlich: den harten Alltag, die raue See, aber auch das Untereinander der Dorfbewohner – inklusive der Skepsis gegenüber Neuankömmlingen.

Und obwohl es im Roman viele Dramen, Konflikte und Verletzungen gibt, strahlte die Geschichte gleichzeitig eine tiefe Ruhe aus. Fast so, als würde man mit den Figuren am Hafen sitzen, aufs Meer schauen und spüren: Das Leben ist nicht einfach, aber es ist echt.

Ein intensiver, vielschichtiger Roman über starke Frauen, Geheimnisse, Zugehörigkeit und das raue Meer – für mich eine kleine Entdeckung, die ich in kurzer Zeit verschlungen habe.