Sehr berührend!

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„Die Hummerfrauen“ von Beatrix Gerstberger ist einer dieser Romane, die man aufschlägt, um „nur mal kurz reinzulesen“ – und plötzlich ist man komplett an die Küste von Maine versetzt, riecht Salzluft, hört Möwen und möchte am liebsten selbst mit aufs Boot steigen.

Was dieses Buch so besonders macht, sind die drei Frauen im Zentrum der Geschichte. Ann, die 72-jährige Hummerfischerin, ist herrlich kantig, eigenwillig und verletzlich zugleich. Hinter ihrem Sarkasmus und ihrer Härte steckt eine Frau, die gelernt hat, sich in einer Männerdomäne zu behaupten – und die trotzdem in ihrer Zuneigung zu ihrem blauen Hummer Mr. Darcy eine rührende Zartheit zeigt. Julie, die sich nach einem schweren Unfall buchstäblich zurück ins Leben kämpft, steht für all jene Frauen, die anderen ohne zu zögern zur Seite springen, sich selbst aber oft am wenigsten zugestehen. Und Mina, die Jüngste, bringt mit ihrer Rückkehr nach Maine die Vergangenheit ans Licht – die ihrer Familie, aber auch die von Sam, dessen Geschichte sich eng mit ihrer verknüpft.

Gerstberger erzählt ihre Lebenswege mit viel Empathie und einem feinen Gespür für Zwischentöne. Es geht um Trauer, Schuld und verpasste Chancen, aber auch um Solidarität, weibliche Freundschaft und die Kraft, sich ein eigenes Leben zu schaffen, selbst wenn der Ausgangspunkt alles andere als leicht war. Besonders schön ist, wie sich die drei unterschiedlichen Frauen nach und nach zu einer Art Wahlfamilie zusammenfinden. Die Fischerei, das Meer, das harte Arbeiten im Morgengrauen – all das ist nicht nur Kulisse, sondern spürbarer Teil ihres Alltags, der sie prägt und verbindet.

„Die Hummerfrauen“ ist ein berührender, atmosphärischer Roman über Neuanfänge in jedem Alter und darüber, wie heilsam es sein kann, wenn Frauen sich gegenseitig ernst nehmen, unterstützen und stärken. Wer Geschichten liebt, in denen Landschaft, Figuren und Gefühle gleichermaßen Tiefe haben, wird dieses Buch kaum aus der Hand legen wollen – und sich am Ende wünschen, Ann, Julie und Mina noch ein bisschen länger begleiten zu dürfen.