Gelungener Auftakt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
anna_banana Avatar

Von

Die großbürgerliche Familie Cazalet lebt in England in den späten Dreißigerjahren und trifft sich in jeden Sommer- und Weihnachtsferien auf dem Familiensitz in Sussex. Mehrere Generationen kommen zusammen, was nicht nur Konflikte mit sich bringt, sondern auch viele unterschiedliche Gefühlswelten, Meinungen und Lebensansichten der einzelnen Mitglieder offenbart.

Vier Geschwister, Edward, Hugh, Rachel und Rupert, ihre Eltern und gleichzeitig die Hausherren von „Home Place“ in Sussex, die „Duchy“ und „Brig“, sowie die Ehefrauen von Edward, Hugh und Rupert und deren Kinder liefern Einblick in ihr Leben. Außerdem erhalten auch Nebencharaktere wie die Hausmädchen, die Köchin, der Gärtner, die Lehrerin der Kinder, „Sid“, die Geliebte von Rachel (was außer den beiden niemanden bewusst ist) und die ein oder andere Geliebte von Edward Präsenz durch eine detaillierte und lebensnahe Beschreibung ihrer Aktivitäten und Gedanken.

„Die Jahre der Leichtigkeit“ von Elizabeth Jane Howard ist wahrlich ein gelungener Auftakt zu einer epochalen Familiensaga, die sich nicht zuletzt mit Auswirkungen und Ängsten des Krieges befasst, sondern auch geschichtlich die politische Lage vor dem zweiten Weltkrieg darlegt und verschiedenen Meinungen und Gefühlen durch die Stimmen der Charaktere Gehör verschafft. Da gibt es zum Beispiel Polly, Hughs Tochter. Sie hat furchtbare Angst vor dem Krieg und obwohl die „Erwachsenen“ versuchen sie in einer behüteten und sicheren Umgebung aufwachsen zu lassen, bekommt sie zufällig das ein oder andere mit. Auch ihr Vater, der alles andere will, als seine Tochter zu beunruhigen, hat mit den Nachfolgen des ersten Weltkriegs zu kämpfen – körperlich, sowie seelisch.
Das Buch ist in klarer Sprache geschrieben, greift den Geist der Zeit auf, bedient sich jedoch einer eleganten modernen Sprache, sodass auch Menschen, die fern dieser Zeit aufgewachsen sind, ihre Freude an der Geschichte der Familie haben können. Vermutlich ist es jedoch nicht ein Buch für jedermann, da das Voranschreiten der Geschichte eher anhand der Alltäglichkeiten geschieht. Wer jedoch gerne einen Perspektivwechsel erlebt und einmal in die Sorgen, Ängste, Freuden, Gedanken und Gefühle der Menschen der 1930er hineinschlüpfen möchte, wird „Die Jahre der Leichtigkeit“ als wertvolle Lektüre kennenlernen.
Elizabeth Jane Howard gibt ihren Charakteren nicht nur viel Tiefe und Individualität, sondern beschreibt jede Figur mit ihren eigenen Hürden und Zweifeln, wie dieser oder jener Charakter zu einem anderen steht und welche Sichtweise er auf die Welt hat und ob er/sie diese seinen/ihren Mitmenschen oder Familienmitgliedern mitteilt oder nicht.

Für mich ebenfalls wichtige und spannende Themen, die das Buch unterschwellig und zuweilen auch sehr direkt behandelt, indem Charaktere davon betroffen sind oder sich damit auseinandersetzen: Diskriminierung, Antisemitismus – die Judenverfolgung in Deutschland zu Hitlers Zeiten, das Frauenbild der Zeit – was sich „schickt“ und was nicht, Standesdenken, der Glaube an Gott und vieles mehr.
Ich kann nicht mit Gewissheit sagen, dass das Buch authentisch ist, da ich in dieser Zeit nicht gelebt habe, aber es fühlt sich für mich sehr authentisch an. Die Autorin stammt aus dieser Zeit und es kommt mir vor, als würde sie viele Gedanken und Gefühle, die sie in dieser Zeit hatte in diesem Werk verarbeiten und niederschreiben.

Für mich war es ein bereicherndes Leseerlebnis.