Eine berührende Geschichte über Liebe und Verlust

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meike Avatar

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Paris zu Beginn des Zweiten Weltkriegs: Die junge Französin Estella wird von ihrer Mutter in die USA geschickt, um den Schrecken des herannahenden Kriegs und der Besetzung Frankreichs zu entkommen. Auf sich allein gestellt, mit nichts weiter als einer Nähmaschine und einem Kopf voller Ideen, muss Estella nun ihren Weg finden. Als sie unerwartet auf Ungereimtheiten über ihre eigene Herkunft stößt, fängt sie an, alles in Frage zu stellen – und beginnt eine Suche nach ihren Wurzeln und sich selbst.

Inhaltlich hat die Geschichte viel zu bieten: Neben der Suche nach der Liebe und dem großen Rätsel um Estellas Herkunft werden auch ernste Themen wie häusliche Gewalt und Vergewaltigungen, schwere Krankheiten und der Tod geliebter Menschen oder auch die Rolle der Frau in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts behandelt. Der Autorin liegt es am Herzen, die Geschichten starker Frauen zu erzählen. Und das ist ihr mit diesem Buch definitiv gelungen. Gleichzeitig zeigt sie aber auch, wie gebrechlich die menschliche Seele ist und was Missbrauch und Hass anrichten können. Das geht nahe. Der Fakt, dass einzelne Charaktere an reale Personen und Begebenheiten angelehnt sind, hinterlässt einen noch intensiveren, emotionalen Nachklang.

Der Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen und die Geschichte fesselt von Beginn an – langweilige, überflüssige Passagen gibt es eigentlich keine. Die Charakterzüge der Hauptpersonen werden schnell deutlich und man hat sie lebhaft vor Augen. Auch die Idee, sowohl über Estellas Leben in den 1940er- Jahren als auch – zweit Generationen weiter - über die junge Fabienne zu erzählen, hat sehr gut in hineingepasst. Es zeigen sich hier nicht nur viele Parallelen, sondern es wird einem zusätzlich bewusst, wie viel sich in dieser Zeit auch geändert hat. Außerdem ist mir Fabienne fast noch mehr ans Herz gewachsen als Estella.

Ein wenig Kritik habe ich allerdings trotzdem. Mir gab es eindeutig zu viele glückliche Zufälle. Auf ihrem Weg in die USA bzw. kurz nach ihrer Ankunft lernt Estella beispielsweise direkt die beiden Menschen kennen, die dann auch zu ihren besten Freunden werden – und praktischerweise als Model und Zuschneider arbeiten, was Estellas Näh- und Zeichenkünste gut ergänzt. Mir ist bewusst, dass solche Begebenheiten teilweise notwendig sind, um die Geschichte voranzubringen, teilweise war es dann aber doch etwas zu unrealistisch. Die Geschichte war an vielen Stellen auch ziemlich vorhersehbar – vor allem die große Liebesgeschichte von Estella und einer der Hauptpersonen hat sich zu lange hingezogen. Aus Leserperspektive war schnell klar, dass die beiden sich ineinander verliebt hatten. Trotzdem mussten sie sich erst über viele Seiten hinweg abweisend verhalten, ihre Gefühle herunterspielen und den jeweils Anderen enttäuschen, bevor ihnen ihre wahren Gefühle klar wurden. Und als es dann endlich soweit war, wurden sie zu einer unangenehmen Art Pärchen. Denn obwohl die beiden Besuch von Estellas besten Freunden bekommen, können Sie nicht voneinander lassen - und nutzen auch ansonsten jede Gelegenheit, um Zärtlichkeiten auszutauschen. Auch wenn ich ihre Liebe füreinander und die Geschichte der beiden an sich berührend fand – am Ende war es dann doch einfach zu viel des Guten.

Ein weiterer Punkt ist, dass in dem Buch das Thema Mode – z. B. Schnittmuster, Designer und Stoffarten - teilweise im Detail behandelt wurde. Ich kann mir vorstellen, dass das für all jene, die mit Mode nicht viel anfangen können, manchmal ein wenig öde sein kann. Mich persönlich hat es aber nicht weiter gestört – und bei einem Buch mit dem Titel „Die Kleider der Frauen“ ist das irgendwie ja auch zu erwarten.

Alles in Allem eine berührende und fesselnde Geschichte über die Suche nach den eigenen Wurzeln und der großen Liebe sowie dem Umgang mit Schicksalsschlägen. Ich hatte ein sehr intensives Leseerlebnis und bin gespannt auf das weitere, wohl noch dieses Jahr erscheinende Buch der Autorin - in der Hoffnung, dass es mich genauso begeistern und berühren wird.