Not macht erfinderisch...

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elohym78 Avatar

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... noch nie war dieser Spruch so wahr, wie zu Kriegszeiten! Vor allem für die Frauen, die zu sehen mussten, wie sie ihre Familie mit den wenigen, rationierten Lebensmitteln über die Runden bringen sollten.
In dieser Zeit lebt Audrey mit ihren drei Söhnen in Fenley. Ihr Mann Matthew wurde über Düsseldorf abgeschossen und seit dem bringt sie die Familie alleine durch. Doch es ist Arbeit, viel Arbeit. Der einzige Lichtblick scheint die Serie Kitchen Front zu sein, dessen Moderator Tipps und Tricks zeigt, wie man aus wenigen Lebensmittel eine wohlschmeckende Mahlzeit zubereiten kann.
Denn ihre Schwester, Lady Gwendoline Strickland hilft ihr nicht. Lady Gwendoline ist einzig auf ihren eigenen Vorteil bedacht und weiß sich ganz genau in Szene zu setzen. Trotzdem ist auch für sie Kitchen Front ein Lichtblick und Quell der Freude.
Ganz anders die Köchin Zelda. Schwanger und verzweifelt ist für sie Kitchen Front keine Quelle der Freude, sondern Sprungbrett. Denn als die Macher der Radioshow einen Wettbewerb ausrufen und die Gewinnerin des Kochduells groß rausbringen wollen, wittert sie ihre Chance, als Frau endlich das Ansehen zu bekommen, das ihr zusteht.
Von Ansehen und Ruhm träumt die Köchin Mrs Quince und ihre Küchenmagd Nell bei weitem nicht. Sie machen bei dem Wettbewerb mit, wachsen allerdings erst nach und nach an ihren Aufgaben.

Das Cover zeigt die vier Konkurrentinnen Zelda, Lady Gwendoline, Audrey und Nell, wie sie in Kochmontur und mit Lebensmitteln ausgestattet auf dem Weg zu Kitchen Front sind. Mitten in der Bewegung eingefangen, wirkt das Bild auf mich lebendig und voller Tatendrang. Die vier blicken nach vorne, sind zielstrebig und respektieren und schätzen sich. Ich finde es gut zu Titel und Inhalt des Buches gewählt.

Es scheinen die kleinen Augenblicke zu sein, die Jennifer Ryan in den Mittelpunkt ihrer Erzählung stellt und die das Buch für mich zu einem nachhaltigen Erlebnis machte. Sie schreibt so lebendig, so enthusiastisch und berührend, dass die Zeilen wie nichts an mir vorbei geflogen sind. Angst, Alltag, Sorgen und Nöte stehen ebenso auf dem Tagesplan wie stark sein und Spaß haben für die Kinder, der Kampf ums tägliche Leben in Kriegszeiten.
Besonders Freude bereitete mir zu sehen, wie aus den vier Frauen Freundinnen werden. Es gibt immer weniger Ich und immer mehr Wir. Verbiegen muss sich deswegen keine von ihnen, sondern sie wachsen an sich und an den anderen; an den Gegebenheiten des Krieges und an ihren Mitmenschen. Jennifer Ryan schildert diese Entwicklung sehr einfühlsam und behutsam. Sie zwingt nichts auf, sondern lässt Gefühle reifen. Ich hätte nie gedacht, dass diese vier völlig unterschiedlichen Frauen tatsächlich eine Basis finden können, um harmonisch und liebevoll miteinander umzugehen. Die Autorin macht kein Drama um allein erziehende Mütter, Witwen, Mägde oder sonstige Vorurteil behaftete Personen zu dieser Zeit, sondern lässt sie einfach leben, lieben und lachen, denn der Alltag ist schon hart genug. Und doch beschäftigt mich dies sehr. Wie sehr haben die Frauen vor sechzig, siebzig Jahren kämpfen und sich behaupten müssen, damit wir heute unser Leben genießen können.

Mein Fazit

Vier Frauen, die eigentlich ihren Platz im Leben bereits gefunden haben, auf der Suche nach sich selber. Wunderbar einfühlsam und lebendig geschrieben!