Zeitlose Wanderlust

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emmmbeee Avatar

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Wenn einem in Zeiten der unfreiwilligen Isolation durch die Corona-Pandemie ein Buch wie dieses in die Hände fällt und sowieso, wenn man mit 70 nicht mehr wanderfit ist: dann, ja dann ist dieses schmale Bändchen ein kleiner Schatz. Denn so können wir mit Freude, wenn auch nur in Gedanken, die eigenen Wandererfahrungen aus der Versenkung holen und mit Stephen Graham erneut in die Ferne schweifen. So jedenfalls habe ich es empfunden.
Dem Lesenden öffnet sich ein wahres Füllhorn: etwa Anregungen zu den Pausen, dem Trocknen der Kleider nach einem Regenguss, sogar bei Ebbe im Geldtäschchen bis hin zum Wanderlied. Kurz: ein umfassender und wertvoller Begleiter und Ratgeber durch alle Situationen unterwegs.
Ganz speziell finde ich die beiden Kapitel über die Sinnbilder des Wanderns und die Kunst des Müssiggangs. Wie Blumen in die einzelnen Kapitel gestreut sind poetische Stellen, auflockernd und sehr charmant. Auch die philosophischen Passagen sind erfrischend und bereichernd. Mir sagen die klare Sprache, der unkomplizierte Schreibstil, die farbigen Schilderungen ebenfalls sehr zu.
Das Werk mag zwar fast 100 Jahre alt sein, aber der Trend von heute geht durchaus mit ihm konform: sich wieder auf die ursprünglichen Werte besinnen, geerdet sein, ganz besonders das verstärkte Streben zur Nachhaltigkeit. Beim Lesen habe ich öfters an den Jakobsweg gedacht, der ähnliche Anforderungen stellt wie die, von denen der Autor berichtet. Manche Stellen gehen konform mit eigenen Reisetagebuchaufzeichnungen, bei denen ich (und mit mir bestimmt schon viele andere Leser) auf mich allein gestellt war.
Das kleine Format mit unempfindlichem Hardcover und Lesebändchen ist sehr geeignet für das Mitführen im Rucksack.
Ich wage zu behaupten, dass nicht wenige Menschen sich nach der Lektüre auf die ursprüngliche Art der Fortbewegung zurückbesinnen. Gemeint ist, sich vermehrt auf die Socken machen, um zu Fuss das Land zu durchstreifen. Die zahlreichen Tipps und Anregungen mögen zwar teils veraltet sein. Aber sie bilden die Grundlage zur sinnvollsten Ausrüstung.
Und nicht zuletzt: Ist nicht das Leben an sich eine Wanderung, zu der man das richtige Rüstzeug braucht? Im übertragenen Sinn finden wir auch hierzu die eine oder andere Anleitung.