Entfremdung

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Nach kurzem Blick auf das Cover und den Titel erwartete ich eine seichte und kitschige Liebesschnulze, doch schnell wurde ich eines Besseren belehrt, denn schon nach einigen Seiten hat mich das Buch gefesselt und berührt.

Zwei Schwestern – Katie und Mia – ziehen nach dem Tod der Mutter zusammen in eine Wohnung nach London. Beide Frauen sind sehr unterschiedlich veranlagt. Katie wirkt sehr selbstsicher und steht mit beiden Füßen fest im Leben. Ihre kleine Schwester Mia dagegen ist sehr flatterhaft und lässt sich gern treiben. Mia überrascht Katie mit der spontanen Entscheidung gemeinsam mit ihrem Jugendfreund Finn ein Jahr durch die Welt zu gondeln. Eines Nachts wird Katie unsanft durch die Polizei aus dem Schlaf gerissen. Sie erfährt, dass ihre Schwester von einer Klippe auf Bali gestürzt ist. Doch warum ist Mia auf Bali, eigentlich sollte sie doch in Australien sein? Für Katie bricht eine Welt entzwei, als sie erfährt, dass Mia von der Klippe gesprungen sein soll und es sich nach Zeugenaussagen um einen Selbstmord handelt. Hat es etwas mit dem entsetzlichen Streit zu tun, den Katie und Mia in ihrem letzten Telefonat hatten? Warum haben sich die Wege von Finn und Mia getrennt? In Mias Rucksack findet Katie ein Reisetagebuch und beschließt den Spuren ihrer Schwester zu folgen. Auf der Reise lernt sie ihre Schwester und sich besser kennen und ihr wird klar, warum sie sich entfremdet hatten. Gleichzeitig stellt sie aber auch fest, dass unter der Oberfläche immer eine tiefe Verbindung zwischen ihnen bestanden hat.

Das Buch ist leicht und flüssig geschrieben, zeigt aber auch eine gewisse Tiefe auf. Die Charaktere der Hauptprotagonisten sind gut skizziert. Die Gefühle, die zwischen Angst, Schuld und Zuneigung schwanken, sind so real beschrieben, dass man sich leicht in die Personen hinein versetzen kann. Die Kapitel werden abwechselnd aus der Sicht von Katie und Mia erzählt. Aus den Überschriften ist immer klar erkennbar, welche Schwester die Geschichte erzählt, wo sie sich gerade befindet und in welchem Monat die Handlung spielt. Lucy Clarke hat es gekonnt verstanden, die einzelnen Kapitel so zu verbinden, dass kein Bruch im Erzählfluss entsteht und der Leser immer den Überblick behält. Je mehr man in die Geschichte eintaucht, merkt man wie sich die Entfremdung auflöst und die Schwestern sich einander nähern.

Die überraschenden Wendungen haben mich fasziniert, so dass ich das Buch kaum zur Seite legen konnte. Ein ungeheuer einfühlsamer Roman, der mich berührt hat und den ich gern weiterempfehlen möchte.