Nah und doch fern

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Wenn sich die jüngere Schwester für ein Jahr auf eine Weltreise verabschiedet, ist das auch für die Ältere nicht leicht. Katie Greene hat sich schon immer um ihre jüngere, spontane und sprunghafte Schwester gesorgt. Doch nun, ein halbes Jahr nach der Abreise, kommt die schreckliche Nachricht, dass Mia in Bali von einer Klippe gestürzt ist. Nur kurz kann sich Katie an die Hoffnung klammern, dass Bali nicht auf Mias Reiseroute lag. Auch die lapidare Erklärung der balinesischen Polizei, dass Mia Selbstmord begangen habe, kann sie nicht akzeptieren. Traurig macht sich Katie an die Durchsicht des Reiserucksacks und findet Mias Tagebuch. Zögernd beginnt sie zu lesen. Doch rasch ist der Entschluss gefasst, dass das eigene Leben erst wieder eine Ordnung erhält, wenn Katie die Orte aufsucht, die in Mias Tagebuch verzeichnet sind.

Lucy Clarke beginnt ihren Debütroman mit einem Paukenschlag. Erst danach ahnt der Leser, dass die Charaktere der beiden Hauptfiguren eine Fülle von emotionalen Facetten zulassen. Während Katie zweifellos die vernünftige, pflichtbewusste und vorausschauende große Schwester ist, lebt Mia in den Tag hinein. Trotz der so gravierenden Unterschiede, verbindet die beiden etwas, das aber keine von beiden offen zeigt. Aus der beschriebenen Sicht ist leider nicht sofort erkennbar, welche Ereignisse zu der bestehenden Entfremdung geführt haben. Nur langsam werden die vorangegangenen Verletzungen geschildert und es offenbart sich ein deutliches Bild. Die Autorin weckt damit beim Leser die Neugier und animiert zum Weiterlesen. Der flüssige Schreibstil passt dabei zum Erzählstil. Die Perspektiven wechseln dabei von Kapitel zu Kapitel zwischen Katie und Mia.

Ebenso werden die Nebenfiguren mit charakterlichen Stärken und Schwächen versehen, die sie allerdings in manchen Fällen nur nebulös erscheinen lassen. Während Katies Verlobter Ed nur plakativ herausgearbeitet wird, bekommen Mias Freund Finn und ihre große Liebe Noah mehr Gewicht. Auch hier werden Schritt für Schritt die Beziehungen untereinander verknüpft. So erklärt sich im Nachhinein manches Verhalten der Beteiligten.

Auf gut 350 Seiten stellt sich in diesem Roman immer wieder die Frage, ob Mias Tod Selbstmord oder ein Unfall war. Einen beinahe noch größeren Anteil nimmt das Thema Rivalität unter Geschwistern ein. Sowohl bei Katie und Mia als auch bei Noah und seinem Bruder Jez gibt es unausgesprochene Anschuldigungen, die einen harmonischen Umgang miteinander unmöglich machen. Weiterhin geht es um Betrug, Lügen und dem Weg zum Verzeihen. Gefühlvoll werden die innersten Gedanken der Schwestern transparent gemacht. Der Spannungsbogen wird auf den ersten Seiten angelegt und zieht sich bis zur letzten Seite. Das Buch unterhält und führt seine Leser an exotische Strände, wo ein kleines bisschen Surferatmosphäre vermittelt wird. Auf den bereits angekündigten zweiten Roman freue ich mich schon jetzt.