Ein spannender Krimi, der das Thema Organspende unverantwortlich abhandelt

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mrs-lucky Avatar

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Nachdem ich die vorgehenden beiden Bände als eher schwächer empfunden habe, war „Die Lebenden und die Toten, der inzwischen siebte Band um Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff wieder mal ein von Anfang bis Ende spannender Krimi. Das Tempo des Krimis ist hoch, ein gnadenloser Mörder, der scheinbar wahllos Menschen mit einem gezielten Schuss hinrichtet, versetzt Frankfurt und Umgebung in Angst und Schrecken. Die Ermittler tappen zunächst im Dunkeln, es ist kein Motiv in Sicht, der Täter ist äußerst umsichtig und hinterlässt keine Spuren. Erst spät erschließen sich Zusammenhänge, die Polizei ist mangels Spuren auf ihre Intuition angewiesen. Beteiligte Personen mauern und halten Informationen zurück, Profiler und Gutachter, die das Team unterstützen sollen, schaffen eher weitere Verwirrung, während der Täter weiter morden kann.
Dieser Krimi ist ein temporeicher Pageturner, die Ermittler kommen kaum zum Schlafen, der Leser kaum zum Luftholen, so dicht gepackt sind die Ereignisse und Entwicklungen. Es gibt Einblendungen aus der Sicht des Täters, die Einblick in seine Beweggründe und weiteren Ziele geben, seine Existenz aber nicht preis geben.
Wie bei Nele Neuhaus gewohnt, geht es nicht nur um die Mordfälle ansich, sondern es steht ein gesellschaftspolitisches Thema im Mittelpunkt, diesmal dreht es sich um Organspenden. Und liegt meiner Meinung nach einer der Schwachpunkte des Buches. Das Thema Organspende ist sehr heikel, viele Menschen in der ganzen Welt sind darauf angewiesen, die in letzter Zeit aufgekommenen Skandale haben das Vertrauen der Menschen erschüttert und die Bereitschaft zu Spende drastisch sinken lassen. Nele Neuhaus haut voll in diese Kerbe und lässt den Umgang mit Organspenden in einem extrem schlechten Licht erscheinen. Es handelt sich zwar um einen fiktiven Roman, dennoch ist das eindeutige Stimmungsmache und für einen Krimi, bei dem schon alleine aufgrund des Rufs der Autorin hohe Verkaufszahlen zu erwarten sind, in meinen Augen unangemessen. In Nebensätzen wird zwar erwähnt, dass Organspenden nicht grundsätzlich verteufelt werden sollten, der Tenor des Buches ist jedoch ein anderer, nicht zuletzt um die Dramatik der Ereignisse zu erhöhen. Es hätte dem Buch gut getan, ein paar positive Gegenbilder zu schaffen unter anderem in der Ärzteschaft, deren Berufsstand hier sehr einseitig verunglimpft wird.
Gut gefallen hat mir, dass die persönlichen Geschichten um die Ermittler eher klein gehalten wurden. In diesem Band ist die Ermittlungsarbeit allerdings auch so intensiv, dass für das Privatleben der Ermittler kaum Zeit und Raum bleibt. Oliver von Bodenstein scheint allerdings eine persönliche Wendung durch zu machen. Einige Gedanken und Bemerkungen seinerseits zu seinen Beziehungen und vor allem zu seiner jüngsten Tochter fand ich sehr sonderbar bis unmöglich. Aus dem eigentlich smarten Kommissar wird so langsam ein echter Unsympath.
Als Fazit würde ich sagen, „Die Lebenden und die Toten“ ist ein solider und spannender Krimi, für den unverantwortlichen Umgang mit dem Thema Organspende gibt es einen Punkt Abzug.