Ein fesselnder und berührender SF-Roman. Leider Gendersprache in deutscher Ausgabe... :(

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Wir schreiben das Jahr 2061. Der Untergang der Erde steht kurz bevor. Schon sehr bald wird ein Komet einschlagen und alles Leben auslöschen. Die fast dreizehnjährige Petra Peña jedoch hat Glück. Sie darf zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Javier und ihren Eltern, welche Wissenschaftler sind, in einem Raumschiff die Erde verlassen. Weitere ausgewählte Wissenschaftler mit ihren Familien sind an Bord. Ihr aller Ziel ist der Planet Sagan, der außerhalb unseres Sonnensystems liegt und erdähnlich sein soll. Die Reise dorthin wird 380 Jahre dauern. Darum werden Petra und die anderen in eine Art Schlaf versetzt. Auf dem Raumschiff befinden sich außerdem "Bodyguards", die sich von Generation zu Generation um die schlafenden Körper der Passagiere kümmern sollen. Doch dann geht etwas gewaltig schief. Ein Kollektiv, welches sich auf das Raumschiff eingeschleust hat, übernimmt die Führung und hat zum Ziel, alles Wissen über und jeder Erinnerung an die Erde auszulöschen. Die Mittel, die sie dazu anwenden, sind oft menschenverachtend und setzen vollsten Gehorsam voraus. Als Petra nach der langen Reise erwacht, erkennt sie, dass sie die Einzige zu sein scheint, die ihre Erinnerungen an die Erde und das Leben dort noch nicht verloren hat. Wird es ihr mit Hilfe der Geschichten, die ihre Oma ihr erzählte, gelingen, die Erinnerung der anderen wieder zu erwecken?

Dieses Buch von Donna Barba Higuera ist einfach großartig, gewaltig, spannend, atemberaubend, faszinierend und in jedem Fall lesenswert. Ich habe lange kein so tolles Buch gelesen und bin nur so von Seite zu Seite geflogen!
Bereits das Titelbild (vor allem das der englischsprachigen Ausgabe) zieht einen in seinen Bann. Und auch das Geschehen liest sich wie ein sehr guter Science-Fiction-Film. Ich hoffe, dass der Roman auch tatsächlich verfilmt wird. Alle Charaktere wurden von der Autorin authentisch und in sich stimmig gestaltet. Man fiebert auf jeder Seite mit Petra mit.

Es werden sehr viele philosophische und ethisch-moralische Fragen aufgeworfen. Ist es richtig, dass ein Neuanfang ohne die Gewalt, die Kriege, den Hunger, die Ausbeutung und all das Schlechte auf der Erde nur durch das Auslöschen von Erinnerungen erreicht werden kann? Oder brauchen wir gerade unsere Erinnerungen, um aus ihnen zu lernen und die alten Fehler nicht zu wiederholen? Ist es in Ordnung, wenn einzelne Menschen für das große Ganze geopfert werden?
Viele solcher Fragen entstehen beim Lesen. Unter anderem deshalb bin ich der Meinung, dass die Altersempfehlung des Verlages ab 11 Jahren zu früh angesetzt ist. Dieses Buch ist noch nichts für Kinder. Ich empfehle es frühstens ab 13 oder 14 Jahren oder besser noch für erwachsene Leser.

Da ist zum einen natürlich das Science-Fiction-Thema, welches eine gewisse Reife voraussetzt. Doch vor allem die emotionale und psychologische Tiefe der Geschichte, die Grausamkeiten des Kollektivs und die gesamte sehr dystopische Welt sind nicht das Richtige für ein elfjähriges Kind. Petra und ihre Familie lassen gleich zu Beginn ihre Oma auf dem Planeten Erde zurück, in dem vollen Wissen und Bewusstsein, dass sie nur noch wenige Tage leben wird, bevor der Komet einschlägt und alles Leben auf der Erde auslöschen wird. Ohne zu viel zu verraten: Petra erfährt noch SEHR viel weiteren Verlust und erlebt schlimme Grausamkeiten. Und auch die finsteren Gestalten des Kollektivs und deren Agenda sowie menschenverachtende Mittel, um diese zu erlangen, sind nichts für zarte Gemüter und könnten (Zukunfts)ängste auslösen.

Mindestens einen riesengroßen Punkt Abzug gebe ich der deutschen Ausgabe aufgrund der Gendersprache der Übersetzerin, die den Lesefluss und -genuss stark stört... Falls ihr also sehr gut Englisch könnt, lest lieber das Original.

Das Buch ist ein fesselnder und berührender Roman über die magische Kraft von Geschichten, uns an uns selbst und unsere eigene Geschichte zu erinnern.