Ein sehr guter Krimi, aber definitiv kein Thriller

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
minjo Avatar

Von

Die Kinderärztin und Gerichtsmedizinerin Sara Linton wird in einer dramatischen Nacht in der Notaufnahme des Grady Hospital in Atlanta an ihre schlimmsten Stunden vor fünfzehn Jahren erinnert, als die junge Dani Cooper schwerverletzt eingeliefert wird. Sie flüstert Sara mit ihren letzten Worten zu, was ihr angetan wurde und nimmt ihr das Versprechen ab, den Täter aufzuhalten und seiner gerechten Strafe zuzuführen. Als es drei Jahre später zum Prozess gegen Tommy McAllister kommt, könnte Sara's Zeugenaussage die entscheidende Wendung bringen, doch Tommys Eltern - ebenfalls angesehene Ärzte und Sara aus der gemeinsamen Vergangenheit wohlbekannt - sind reich und haben viel Einfluss. Da die Beweise nicht ausreichen, bleibt Sara nichts anderes übrig, als mit ihrem Verlobten - GBI Special Agent Will Trent und dessen Partnerin Faith Mitchell - tiefer zu graben und sich ihren finsteren Dämonen zu stellen, um ihr Versprechen an Dani Cooper einlösen zu können.

Was mir gut gefallen hat:
Für mich ist es der erste Roman von Karin Slaughter. Ich kenne daher die Vorgeschichte von Sara Linton und Will Trent nicht, die aus nun elf Bänden der "Georgia-Reihe" besteht. Trotzdem bin ich mühelos mitgekommen, da die Wissenslücken zur Vorgeschichte von Sara und Will im vorliegenden Buch clever geschlossen werden. Die Hauptprotagonisten haben interessante Ecken und Kanten (und davon nicht wenige) und waren mir schnell sympathisch,
so dass ich mich gut in sie einfühlen und mitfühlen konnte. Gerade die persönlichen Interaktionen und Verbindungen mit- und untereinander gefiel mir gut (wenngleich ich es tlw. etwas übertrieben fand, wenn es um Faith als kontrollliebende Löwenmutter ging).
Der Fall war gut aufgebaut und logisch strukturiert, ein Puzzle-Teil nach dem anderen wurde hinzugefügt, bis man das Gesamtbild erkennen konnte.

Was mir weniger gefallen hat:
Eins habe ich wirklich vermisst: SPANNUNG! Das vielversprechende Cover verspricht hier einen Thriller, doch ein Thriller lebt von Action, von dicht aufeinander folgenden nervenzerfetzenden Situationen. Das ist bei diesem Buch leider einfach nicht der Fall! Es ist ein (sehr guter) Krimi, der Stück für Stück in einer Aneinanderreihung endlos langer Diagloge bereits geschehene Taten und einen aktuellen Fall aufdröselt, um den Tätern das Handwerk zu legen. Will und Faith tun nichts anderes, als (hauptsächlich) miteinander und zwischendurch mit einem Angehörigen eines Opfers, einer weiteren Betroffenen und mehreren Verdächtigen zu reden. Mit Ausnahme der dramatischen Einstiegsszene in der Notaufnahme flackert erst wieder ab Seite 450 etwas Spannung auf, als Will und Jeremy in der Bar auf den V-Club treffen, doch auch hier: Spannung Fehlanzeige. Das Finale war durchaus smart und überraschend, doch auch hier hatte ich nicht das Gefühl, es vor Spannung kaum mehr auszuhalten.
Die Thematik Vergewaltigung, Gewalt gegenüber Frauen, Incel und Me-too ist natürlich aktuell wie nie und wird hier gut transportiert.

Fazit:
Ein solider Krimi - zweifellos sehr gut geschrieben incl. einem gewollt-hardboiled Touch sowie interessanten Charakteren - aber eben mit enormen Längen, teilweise ermüdenden Dialogen und kaum Action, welcher erst im letzten Fünftel langsam an Fahrt aufnimmt. Treue Fans der Autorin kommen auch hier sicher wieder voll auf ihre Kosten. Die Kriterien für einen Thriller erfüllt dieses Buch meiner Meinung nach aber nicht.