Coming of Age x 4

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
ninchenpinchen Avatar

Von

Bei manchen Büchern weiß man instinktiv schon im Vorfeld, dass sie gefallen werden. Würde man sie sonst lesen?

„Die letzten Romantiker“ gehen über ganze Leben, mindestens aber über vierzig Lebensjahre. Die Ich-Erzählerin Fiona steht sogar mit einhundertzwei Jahren noch auf der Bühne und der Roman beginnt, als sie vier Jahre alt ist. Da ist ihr Bruder Joe sieben und die Schwester Caroline acht und zur Vervollständigung des Quartetts Renee elf Jahre alt.

Der Vater stirbt jung und unerwartet. Da zieht die Mutter sich zurück – in die große Pause – wie die Auszeit von den Kindern genannt wird. Die vier Kinder sind auf sich gestellt, mehr oder weniger. Denn die Mutter kommt nur sporadisch aus ihrem Zimmer, backt mal einen Geburtstagskuchen, ist aber meistens unerreichbar für die Kinder. Wenn auch physisch anwesend, so dauert doch die große Pause etwa drei Jahre.

Alle vier Kinder entwickeln sich so unterschiedlich, wie es nur sein kann. Renee, die Älteste, kümmert sich – so gut sie kann – um ihre Geschwister, ist aber oft völlig überfordert. Joe glänzt mit sportlichen Höchstleistungen und rettet Caroline und Fiona aus unterschiedlichen bedrohlichen Lebenslagen.

Der Roman gliedert sich in vier Teile: Kindheit und Jugend in Bexley, die jungen Erwachsenenjahre in NYC, später dann Miami und noch später wieder hier und da. Zwischendurch springen wir mit Fiona ganz weit in die Zukunft, ins Jahr 2079.

In der Danksagung am Ende erwähnt die Autorin, dass ihre Idee zu diesem Buch einer Familientragödie entsprang, die sie mit großer Beklommenheit erforscht hat. Wessen Familientragödie bleibt offen oder ob sich möglicherweise Autobiographisches hier verbirgt. Und dass dieses Buch lange gebraucht hat, ist glaubwürdig. Denn, so lange es gebraucht haben mag, es wird auch lange nachwirken.

Ich war gar nicht in der Lage, so schnell einen neuen Roman anzufangen, obwohl mir schon zwei Bücher aus dem Schrank ungelesener Bücher heftig zuwinken.
Die Figuren sind so durchdacht, wie man es nur selten findet. Ebenso die Dialoge. Hier erleben wir Schicksale, die sich so oder sehr, sehr ähnlich abgespielt haben müssen. Wir tauchen als Leser tief ein, so tief wie Fiona in den See der Kindertage. (S. 39/40)

Obwohl ich selbst keine Geschwister habe, glaube ich jetzt zu wissen, wie sich geschwisterliche Nähe, Entfremdung und erneute Nähe anfühlen. Und überhaupt lesen und erfahren wir, nebst Lügen, Geheimnissen und Verrat, wie unterschiedlich Menschen sein können, welche Lebensziele sie haben, was ihnen wichtig ist und wie sie bereuen, manches versäumt zu haben, was sich nicht nachholen lässt.

Und jetzt verspüre ich Lust und Bedürfnis, mir „The House Girl“, Tara Conklins Debüt, näher anzuschauen.

Fazit: Weit eindrucksvoller, als Titel und Cover erahnen lassen. Eins der Jahreshighlights auf jeden Fall. Unvergesslich. Wirkt nach. Lädt zum Noch-Einmal-Lesen ein.