Faszinierend, tiefgründig und unterhaltsam: toll!

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lust_auf_literatur Avatar

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Ja, cool, das war richtig gut!
Mochte ich sehr.

Glaubst Du an die Kraft der Suggestion? Horoskope? Placebo Effekt? Zaubertricks?Self-fulfilling prophecy? Wenn ja, wie weit reicht diese Kraft? Kannst Du mit der Kraft deines Glaubens Roulette Kugeln beeinflussen?
Sehr, sehr interessante Fragen, finde ich, die Friedemann Karig in seinem doppelbödigen und unterhaltsamen Roman in den Raum stellt.

Der Plot ist rasant und ich will euch nur einen kurzen Abriß geben, da es Teil des Spaßes ist, die Handlung zu entschlüsseln.
Das Setting mutet klassisch an. Eine Frau, die Ich-Ezählerin, befindet sich scheinbar in einem abgeschiedenen Institut und erzählt scheinbar einer Therapeutin aus ihrem Leben und von den Gründen ihres Aufenthalts.
Ich gebrauchte soeben zweimal das Wort „scheinbar“ und das hat seinen Grund, den die Erzählerin ist eine Lügnerin.
Und dabei lügt sie so gut, dass alles was sie erzählt, zur realen Wirklichkeit wird.

Genauso wie die Protagonistin ihr Umfeld manipuliert, werde ich als Leser*in von der Erzählung manipuliert und kann bald nicht mehr unterschieden, was der wahre Kern der Handlung ist. Doch das spielt letztendlich gar keine Rolle.
Es ist genau dieses Spiel mit Realität und Fiktion, mit Glaube und Wirklichkeit, mit Ursache und Wirkung, das diesen Roman für mich so spannend und so unterhaltsam macht.
Im Vorbeigehen lässt Karig subtile Gesellschaftskritik an sexisitschen und kapitatistischen Strukturen einfließen.

„Wenn du reich bist, existiert die ganze Welt nur für deine Wünsche. Ob du dafür bezahlst, ist am Ende egal.“

Auch hier stellt der Roman infrage, wieviele dieser Strukturen nur durch unseren Glauben daran aufrecht erhalten werden und ob sie individuell beeinflusst werden können. Fragen, die auch mich oft beschäftigen.

Die Themen, die in Karig in seinem unglaublich raffiniert konstruierten Roman auftauchen lässt, sind existenziell und universell. Sie betreffen letztendlich den Kern meiner Identität oder das was ich dafür halte.

„Aber unsere Identität sind nicht die Geschichten, die wir selbst erzählen. Sondern die, von denen wir glauben, dass andere sie sich über uns erzählen.“

Ich bin wirklich sehr überrascht, überwältigt und unterhalten von diesem Roman. Alle drei Zustände begrüße ich und suche ich beim Lesen von Literatur. Für mich war „Die Lügnerin“ wirklich ein besonderes und anspruchsvolles Vergnügen, dass ich an alle Lesende, die sich davon angesprochen fühlen, auf jeden Fall weiterempfehle!