Außergewöhnlich
Außergewöhnlich. Schon allein der Einband und die Buchcover-Gestaltung machenTore Renbergs Roman "Die Lungenschwimmprobe" zu etwas ganz Besonderem. Mit der Bezeichnung 'Roman' tue ich mich allerdings ein wenig schwer - in einer filmischen Umsetzung würde man wohl von einem 'Doku-Drama' sprechen. Sorgfältig und zeitaufwendig recherchiert und die Recherchelücken und andere Unklarheiten mittels fiktionaler Kompetenz des Romanautors aufgefüllt (so meldet sich zwischendurch auch der Autor 'himself' zu Wort). Die Geschichte erstreckt sich nahezu über ein halbes Jahrhundert und beschreibt anhand der Geschichte der vermeintlichen Kindsmörderin Anna Voigt sehr eindrücklich, wie die Vormachtstellung der Kirche mehr und mehr durch die Wissenschaft in Frage gestellt wird. Die Wissenschaft kann nämlich beweisen (mittels Lungenschwimm-probe), ob ein Kind bereits im Mutterleib tot war oder erst nach der Geburt gestorben ist. Alte Machtstrukturen aber bremsen die Wissenschaft aus. Tore Renberg erweckt tatsächliche Personen zum Leben und gibt ihnen sehr treffende Charaktere, was zuweilen durchaus vergnüglich anmutet, weil er dem einen oder der anderen auch kleine 'Macken' und Eigenheiten andichtet; die Erzählweise ist multiperspektivisch; auch vermittelt der Autor der Leserschaft einen hervorragenden Eindruck dieser Zeit, in der alles noch sehr düster ist. Die Sprache ist ein wenig der geschilderten Epoche angepasst, aber dennoch sehr gut lesbar. Was insgesamt zu einem Lerseerlebnis der ganz besonderen Art führt. Unbedingte Empfehlung!