Ein außergewöhnlich historischer Roman

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Im Jahr 1681 steht Anna, ein 15-jähriges Mädchen, vor Gericht und wird der Tötung ihres Neugeborenen beschuldigt. Nicht nur, dass das Kind unehelich zur Welt gekommen ist sondern auch die Tatsache, dass niemand von der Schwangerschaft wusste außer vermeintlich ihre Mutter, und dem Mordvorwurf, wird die ganze Familie in einen Skandal verwickelt. Die Geschichte nimmt jedoch eine Wendung von historischer Tragweite, als ein renommierter Arzt eine neuartige Methode zur Feststellung einsetzt, ob das Baby lebendig zur Welt kam: die Lungenschwimmprobe. Dies markiert den Anfang eines entschlossenen Kampfes um das Leben der jungen Frau und ihrer Familie.

Der historische Roman "Die Lungenschwimmprobe" zeichnet sich durch eine ungewöhnliche Erzählweise aus. Tore Renberg wählt vielfältige Erzählperspektiven, durchbricht traditionelle erzählerische Grenzen und interagiert teilweise direkt mit der Leserschaft. Diese Erzählstruktur ermöglicht eine harmonische Entfaltung der Geschichte trotz anfänglicher Herausforderungen. Die Charaktere – sowohl die historisch belegten als auch die fiktiven – und ihre Beweggründe werden anschaulich dargestellt, und der Leser erhält einen umfassenden Einblick in die sozialen Strukturen der Zeit. Die beteiligten Figuren, von Anna und ihren verzweifelten Eltern über einen ambitionierten Anwalt bis hin zu Anklägern, Zeugen und sogar dem Henker, erzeugen ein vielschichtiges Bild des Falles und der damaligen Gesellschaft.

Die umfangreiche Recherchearbeit des Autors ist auf den rund 700 Seiten des Romans spürbar und verleiht der historischen Darstellung Glaubwürdigkeit. Besonders hervorzuheben ist Renbergs Entscheidung, anstelle eines traditionellen Anhangs im Buch, auf die Verlagswebseite für weiterführende Informationen zu verlinken – ein moderner Zugang, der allerdings bei einigen Lesern auf Kritik stoßen könnte, die eine direkte Verfügbarkeit von ergänzendem Material im Buch bevorzugen würden.

Dennoch wird das Buch gegen sein Ende hin mit seinen 700 Seiten etwas langatmig. Eine Kürzung um etwa 200 Seiten hätte dem Erzählfluss und der Konzentration auf die wesentlichen Aspekte des Lebens und des Rechtssystems in der damaligen Zeit vermutlich gutgetan. Etwas fragwürdig fand ich , dass im Text immer wieder “Hehe” eingeflochten wurde, was mich sehr irritiert hat, auch wenn dadurch der Gedankengang der entsprechenden Person besser dargestellt wurde. Trotz dieser Kritik zeichnet sich "Die Lungenschwimmprobe" durch seine inhaltliche Tiefe und historische Einbettung aus und sticht aus der Masse historischer Romane hervor und ist zweifellos eine Bereicherung für Leser, die in historische Ereignisse eintauchen möchten.