Gelungene und umfassende Darstellung von gerichtlichen Verfahren im 17. Jahrhundert

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schneewittchen95 Avatar

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"Die Lungenschwimmprobe" von Tore Renberg ist ein sehr gut recherchierter und wissenschaftlich begleiteter historischer Roman über die frühen Entwicklungsschritte der Rechtsmedizin auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands im 17. Jahrhundert.
Der Roman ist farblich ansprechend gestaltet, auch die Illustrationen im Buchdeckel und der ausführliche Anhang, der über einen Link zugänglich ist, haben mir sehr gut gefallen. Leider ist das Papier der Seiten sehr dünn, sodass die Schrift der nächsten Seite durchscheint, was einige Leser und Leserinnen sicherlich stört.

Dem Autor ist eine gekonnte Darstellung der damaligen Gesellschaft gelungen, die nach den Schrecken des 30-jährigen Krieges in einem Konflikt zwischen Wissenschaftlichkeit, freier Meinungsäußerung und Althergebrachtem steht. Dabei wird die systematische Unterdrückung von Frauen eindrucksvoll und treffend dargestellt. Zahlreiche Bezüge zu tatsächlich existierenden historischen Persönlichkeiten, Orten und Schriftstücken bringen das Werk nah an die Realität. Die Geschichte wird aus Sicht verschiedener Personen erzählt, die durchaus vielschichtig und treffend charakterisiert worden sind. Der zum Teil pointierte Schreibstil hat mir gut gefallen, er hat sich an die jeweils handelnde Person angepasst.
Der Autor wendet sich zum Teil auch direkt an die Lesenden, um persönliche Eindrücke zu unterstreichen. Nur an einer Stelle fand ich das unpassend. Durch die anachronistische Erzählweise werden einige Ereignisse in der Zukunft früh vorweggenommen, die Spannung bleibt dennoch erhalten.
Leider kam es insbesondere bei längeren direkten Zitaten zu einigen unnötig langatmigen Passagen.

Fazit:
Ein sehr gelungener und lehrreicher Roman über den Kampf um die wissenschaftliche Erkenntnis und ein humanes Strafrecht.

Zitat:
"Das es mir leid tut, was wir dir angetan haben, anders kann man es nicht sagen, die Geschichte der Welt ist auch die Geschichte des männlichen Bedürfnisses, Frauen klein zu halten" S. 432