Geschichten aus dem Alten Leipzig

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mrsdarcyreveals Avatar

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2018 stieß Tore Renberg, einer der erfolgreichsten Schriftsteller Norwegens, durch Zufall auf Johannes Schreyer und die Lungenschwimmprobe. Sein Interesse war geweckt. Fast sechs Jahre recherchierte er fortan für den vorliegenden Roman, der ein wichtiges Zeitzeugnis mitteldeutscher Geschichte darstellt.

Die fünfzehnjährige Gutsbesitzer-Tochter Anna Voigt gebiert ein totes Kind. Es ist das Jahr 1681 und die Zeichen stehen schlecht für unverheiratete Frauen, die tote Kinder zur Welt bringen – noch dazu im stillen Kämmerlein.
Der Vorfall bleibt nicht unbemerkt und gewinnt schnell an Brisanz. Es braucht einen erfahrenen Doktor, der den Leichnam untersucht und die abscheuliche Kindsmörderin überführt. Johannes Schreyer aus Zeitz nimmt sich dieses Falles an und wagt, was bisher kaum einer vor ihm gewagt hat – er führt eine Lungenschwimmprobe durch und weist damit nach, dass Annas Kind tot zur Welt kam.
Doch das 17. Jahrhundert ist düster – die Hexenverfolgungen fanden gerade erst ein jähes Ende und der Femizid war nach wie vor präsent, der Zeitgeist intolerant. Dieses medizinische Experiment, von dem der belesene Doktor Schreyer erst kürzlich erfahren hat und das selbst in Fachkreisen noch gänzlich unbekannt ist, findet wenig Anklang bei der Obrigkeit.
Zur Verteidigung der jungen Voigtin braucht es einen ambitionierten Anwalt - Christian Thomasius aus Leipzig. Was auf den ersten Blick wie ein klarer Fall erscheinen mag, wird sich über Jahre hinziehen und den Zorn der Obrigkeit entfesseln.

„Die Lungenschwimmprobe“ ist harte Kost – sie verlangt ihren Leserinnen und Lesern einiges an Geduld ab – doch die wird belohnt.
Renberg scheint sich im Verlauf des Buches in Belanglosigkeiten zu verirren, doch nach etwa 200 Seiten wird deutlich, wie akribisch er für diese Geschichte recherchiert hat und dass er mit seinen Ausführlichkeiten eben nicht nur einen historischen Roman zum Fall Anna Voigt vorlegt, sondern viel mehr ein unglaublich wichtiges und interessantes Zeitdokument des barocken Leipzig. Kenner der Stadt werden schon alleine schon wegen der ausführlichen Beschreibungen ihnen wohlbekannter Orte der Innenstadt ihre helle Freude haben.
Man geht aus diesem Buch zweifellos klüger hervor, mit einem völlig neuen Blick auf die Welt.
Eine wertvolle Leseempfehlung!