Die Schlussbilanz

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
wilde hummel 1 Avatar

Von

Eine Lebensbilanz in 365 Kapitel gepackt - ein Jahr und für jeden Tag ein Kapitel, denn genau so lange beschließt Toni, der Protagonist, noch zu leben, bevor er nach 54 Lebensjahren sein Leben durch Freitod zu beendet. Der Aufbau des umfangreichen Romans ist interessant und der Ich-Erzähler Toni blickt zurück auf ein Leben, mit welchem er irgendwie keinen Frieden finden kann. In vielen Kapiteln geht er mit seiner Ex-Ehefrau, seinem Sohn, seinen Schülern und seinen Sexaffären ins Gericht und klagt die anderen an, beschreibt gnadenlos deren Schwächen, seziert diverse Vergangenheiten und dabei kommt leider Selbstkritik und Reflexion des eigenen Verhaltens zu kurz. Das ist einerseits schade, da Toni als Egomane, als männlicher Chauvinist dem Leser*in viel Geduld abverlangt und über 800 Seiten ein überhebliches Ich seine Version beschreibt und den anderen nur wenig Raum lässt. Toni ist kein Menschenfreund, er lässt sich nicht wirklich ein, bleibt distanziert und liebt vor allem seine Hündin Pepa (die treu ist und nicht widerspricht). Toni liebt keine echten Menschen, bevorzugt eine Puppe, beobachtet die anderen kritisch und bleibt unpersönlich im Abstand. Ein intellektueller Misanthrop, der vom Leben und den Menschen enttäuscht ist und sein Ende festlegt und dabei doch irgendwie immer mit dem Leben und den Gefühlen liebäugelt. Der Roman von Fernando Aramburu ist jedoch durchaus zu empfehlen, soweit man sich auf die Ich-bezogene Lebensbilanz und den Seitenumfang einlassen kann.