Ein großer humanistischer Roman über einen Mann namens Toni

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
adelheid von buch Avatar

Von

Vor den mehr als 800 Seiten Lesestoff bin ich zunächst erstmal zurückgeschreckt. Dann interessierte mich das Thema aber doch sehr. Und es hat sich wirklich gelohnt, dass ich mich darauf eingelassen habe. Von den vielen sehr guten Büchern, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, hat mich keins so sehr berührt wie „Die Mauersegler“ von Fernando Aramburu.

Wir lernen Toni kennen, einen vierundfünfzigjährigen Gymnasiallehrer, der Spanier ist und in Madrid lebt und der sich in einer heftigen Krise befindet. Er beschließt, sein Leben zu beenden und setzt dafür einen Termin in genau einem Jahr. Bis dahin will er seine Angelegenheiten ordnen und sich von seinen Sachen getrennt haben. Er macht tägliche Notizen über die Gedanken, die ihm durch den Kopf gehen. Da er das nur für sich selbst tut, ist er absolut ehrlich und es entsteht „eine persönliche Chronik mit gnadenloser Wahrhaftigkeit“. So wird dieses Tagebuch zur Therapie für ihn. Ich war sehr fasziniert von Tonis Empfindungen, seinen Gedankengängen, von seiner Betrachtung der Welt aus seiner männlichen Sicht. Er lässt nichts aus. Seine Kindheit, seine Eltern, seine Ehe, sein Sohn, die Frauen im Allgemeinen und im Besonderen, seine Schüler, die politische Lage in Spanien und vieles mehr. Mit der Zeit gehen seine Betrachtungen mehr und mehr in die Tiefe. Ganz langsam über viele Seiten hinweg verliert sich Tonis Depression mehr und mehr und der Text bekommt zunehmend eine Tragikomik.

Toni hat drei Begleiter an seiner Seite. Da ist sein Freund aus Jugendtagen, den er Humpel nennt und der sein Spiegelbild sein könnte. Da ist seine Jugendliebe Agueda, die niemals aufgehört hat, ihn zu lieben und nie einen anderen Mann angesehen hat. Und da ist Pepa, seine Hündin, die er einst für seinen Sohn angeschafft hat, der sich aber nie wirklich dafür interessierte. Die drei halten zusammen und stehen einander bei.

Indem Toni alle nur denkbaren Themen seines Lebens betrachtet, manche davon kochen mehrmals und immer wieder hoch, verarbeitet er viel angestauten Schmerz und unterdrückte Enttäuschung und Wut. Er hat auch einigen Blödsinn verzapft, den er sich wohl auch zu vergeben hat. So lässt Toni Stück für Stück seine Vergangenheit hinter sich und trennt sich auch von seinen persönlichen Sachen, die er in der Stadt an verschiedenen Orten ablegt. Er tut dies ganz ohne Pathos und Geheule. Er tut dies mit „Witz und Stil“ und einer geradezu virtuosen Sprachgewandheit. Sehr schön finde ich auch die immer wieder mal eingestreuten philosophischen Betrachtungen.

Ich bin sehr begeistert von diesem Buch. Ich gebe eine absolute Leseempfehlung und mindestens 6 Sterne ;-).