ein guter ansatz und letzten endes ein roman mit vielen längen

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blätterwald Avatar

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Den Ansatz fand ich spannend, da beschließt der Protagonist Toni, sich in 365 Tagen das Leben zu nehmen. Die weit mehr als 800 Seiten umfassen quasi das letzte Lebensjahr des Protagonisten, allerdings beschreibt er nicht jeden Tag, man kann das Ganze eher als eine Art Lebensrückschau betrachten.
Ich bin ein wenig zwiegespalten, denn teilweise zog sich das Buch hin und an anderen Stellen konnte ich gar nicht aufhören zu lesen. Das es keine leichte Lektüre werden würde, war mir bewusst, doch was der Autor seinem Leser durch Toni sagen lässt, war nicht immer einfachste Kost. Wobei ich sagen muss, dass es nicht der Schreibstil war, der es manchmal zähflüssig machte oder schwerverdaulich. Die Sprache in diesem Roman ist leicht verständlich und nimmt den Leser mit, ohne große logische Brüche. Mit seinen Figuren geht der Autor recht sorgfältig um, auch wenn es manchmal scheint, als ob er sie mit Klischees vollgestopft hat. Allerdings erfordert es beim Lesen schon eine Konzentration, da Toni in den Zeiten hin und herspringt. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden, scheinbar wahllos gewürfelt, aneinandergekettet.
Toni, 54, Lehrer, geschieden, ein Sohn, ein Freund, ein Hund, ein Bruder, den er nicht mag. Das ist eine Kurzform seines Lebens. Toni wirkt nicht nur lebensmüde und von allem genervt und gelangweilt. Sein bisher gelebtes Leben wirkt wie das vieler anderer auch. Nur sind diese Leute weniger zynisch als Toni. Ob daraus der Entschluss zum Suizid resultiert oder aus einer Laune heraus? Toni wirkt auf mich wie jemand, dem es egal ist, ob er lebt oder nicht, er kann mit jedem Zustand auskommen.
Vollgestopft mit Redundanzen, in meinen Augen, wird Tonis Geschichte erzählt. Der kleine Toni, der Heranwachsende, der Erwachsene und der letzten Endes vom Leben geprägte. Der Vater Kommunist, der Sohn eher ein Nazi. Die Mutter wird dement, seinen Bruder mochte er noch nie. Überhaupt scheint er nur seinen Freund Humpel ein wenig zu mögen, seine Sexpuppe Tina ein wenig, doch umso mehr hängt sein Herz an der Hündin Pepa, also nach dem Motto, Tiere sind die besseren Menschen.
In der erzählten Zeit wird viel gestorben, in der gelebten Zeit ebenso. Immerhin ist Toni 54, da hat man schon was erlebt. Eine Ehefrau, die ihn mit einer anderen Frau betrügt, zum Beispiel. Anonyme Zettel im Briefkasten, von denen er nicht weiß, wer der Verfasser ist. Toni vermutet viel. Auch darüber, wie er sterben möchte.
Dem Sex an sich wird viel Platz eingeräumt, und man fragt sich schon als Leser, wie man für eine Puppe bald mehr empfinden kann als für lebende Personen? Zeichnet der Autor dadurch das Bild des Zynikers, der Toni zu sein scheint? Zu allem Übel für Toni taucht eine Frau in seinem Leben wieder auf, an die er schon lange keinen Gedanken mehr verschwendet hat. Eine Ex-Freundin, die letzte vor seiner Frau. Und er lässt ihr immer mehr Raum, überhaupt scheint Toni manchmal fremdbestimmt zu sein, obwohl er anders gestrickt ist. In diesem Roman wird vieles vermischt bis hin zur Geschichte, was nicht weiter verwunderlich ist, ist man doch immer ein Kind seiner Zeit. Doch der historische Kontext taugt nicht immer als Rahmen für Toni und sein Leben und Handeln. Das Bild des Mauerseglers passt da eher und ist für mich stimmiger.
Vieles in diesem Buch hätte verkürzt werden können, meines Erachtens nach. Manchmal hatte ich das Gefühl, als ob der Autor sich seiner Gedanken selbst noch einmal versichern will. Bei den ganzen anderen Figuren weckt der Autor bestimmte Gefühle und lenkt den Leser geschickt in die Richtung, so wie Toni sie sieht. Nur beim Protagonisten wird er schwammig, es ist nicht immer alles stringent, es menschelt sehr und das macht den Roman gleichsam sympathisch wie auch schwierig. War der Autor sich selbst unsicher über Toni?
Ein gutes Buch, ja. Eine literarische Sensation gewiss nicht. So einen Roman muss man aushalten können. Das Thema, der Aufbau, das klang alles spannend. Doch zu viele Längen, zu viel zu oft wiederholt Gesagtes, zu viele Erzählfäden, die nicht hätten sein müssen. Ein Jahr kann manchmal schnell vergehen oder sich ziehen.