Cunningham, der Name ist Programm

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anneteekanne Avatar

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"Ich habe am Anfang dieses Buchs die Wahrheit gesagt: Jeder in meiner Familie hat jemanden umgebracht." (Kapitel 35)

Ich erzähle euch einmal eine Geschichte ...
Das Problem mit Geschichten und den Erzählern ist, dass der Erzähler abschweift oder ihm etwas einfällt, er es aber nicht kund tut ("mir kam eine Idee") oder es ihm eben nicht einfällt ("da war etwas, aber ich konnte es nicht erkennen, nicht greifen").

Nachdem ich ein Viertel des Romans gelesen habe, habe ich folgenden Satz aufgeschrieben:
Der Roman ist lustig geschrieben und auch aufgezogen, aber manchmal habe ich das Gefühl Benjamin Stevenson kommt nicht zum Punkt.
Oh doch, er kommt zum Punkt, denn all diese Dinge, die der Autor seinen Erzähler Ernie erzählen lässt, immer wieder darauf hinweisend, es chronologisch, sachlich, ordentlich und nach bestem Wissen zu machen, führen genau zu dem Gegenteil. Es verwirrt den Leser. Man fängt an zurückzublättern, ob man selbst auch etwas überlesen hat, das was dem Erzähler jetzt fehlt. Erst dachte ich, es sei chaotisch, aber ich komme zu dem Schluss, dass es totale Absicht von Benjamin Stevenson ist. Wir (die Leser) sollen so abgelenkt sein, dass wir die Fallen, Finten, oder den simplen Plot nicht erkennen können.
"Denn meine Intuition sagte mir, dass sich so langsam alle Teile des Puzzles zusammenfügten, aber noch immer war kein Gesamtbild zu erkennen."(Kapitel 36) Und ehrlich hatte ich zu dem Zeitpunkt nicht den Hauch eines Gesamtbildes, wirklich nur einen Haufen Puzzleteile, die alle nicht richtig zusammen passten.

Die Tatsache, dass Ernest und auch diverse andere Protagonisten immer wieder auf den 10 Regeln von Knox herumreiten, bringt einen doch dazu, dass sie gebrochen werden müssen. Das Leben (und der Tod) halten sich nicht an Regeln.
"Es war keine Zeit mehr zu verlieren, sie war längst verloren (Kapitel25)

Und dabei fängt es so witzig an: Ernest "Ernie" Cunningham ist ein Autor, der schreibt/lehrt, wie man Kriminalromane verfasst. Und nun schreibt er seinen ersten "echten" Krimi, der auf den Ereignissen eines Familienwochenendes beruhen. Denn Ernest hat eine mörderische Familie. Dieser reißerische Titel hat mich ein bisschen gestört, denn die Familie Cunningham neben allen Zweigen ist nicht gerade vom Glück verfolgt, aber wirklich kriminelle Mitglieder, gibt es nicht viele und sie deshalb als mörderisch zu bezeichnen, finde ich überspitzt - aber was tut man nicht, um ein Buch zu verkaufen.

Benjamin Stevenson hat einen typischen whodunit-Krimi geschrieben und spart auch nicht daran, alle in Gefahr zu bringen und alles an Dramatik in den Pott zu werfen, was es gibt. Manchmal ein bisschen zu viel. Aber er sagt es uns ja auch schon früh, damit wir im Grunde nicht überrascht sind.

Fazit: witzig, spannend und dramatisch.