Wenig aussagekräftiger Titel

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Der Titel klingt wenig aussagekräftig, doch der Klappentext verspricht eine spannende Geschichte entlang eines aktuellen Themas: Während der Influencer Georg seinen Vaterfreuden entgegenfiebert, wird er wegen eines seiner Videos verklagt. Als er dann auch noch Geld angeboten bekommt und dafür „nur“ den Wahlkampf eines Außenseiterkandidaten unterstützen soll, scheint die Klage noch das geringste seiner Probleme: Sein Leben fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen …

Das Thema der Wählermanipulation, die Rolle der Influencer und sozialen Medien, der Umgang mit Daten, „alternativen Fakten“ und die Gleichgültigkeit einiger Wählergruppen gegenüber dem Umstand, belogen zu werden – dieses ganze teils unsaubere Geschäft – schien bis zum einen oder anderen erstaunlichen Wahlausgang in den letzten Jahren undenkbar. Die Realität belehrte uns eines Besseren … Mit „Die Morgenröte“ rollt Noah Richter dieses Thema literarisch auf: Die Geschichte ist spannend, flüssig und weitgehend nachvollziehbar erzählt. Es ist schon beklemmend zu lesen, wie weit machthungrige Zeitgenossen gehen, wie tief die Verflechtungen reichen und welche Folgen es für ein Individuum haben kann, in diesen Strudel zu geraten. Beim Lesen ertappte ich mich dabei, wie ich überlegte, welche realen „Vorbilder“ Richter als Blaupause für seine Figuren im Kopf gehabt haben könnte. Gerade dieses Miträtseln und die Perspektivwechsel bringen zusätzliche Spannung in die Lektüre. Aber … mit dem wirklich starken Start scheint Richter sein Pulver ein wenig verschossen zu haben, denn auch wenn die Schilderung von Alex‘ persönlicher Situation nötig ist, nahm sie mir letztlich zu viel Raum ein. Außerdem stellte ich mir die Frage, ob es wirklich eines so drastischen „Weckrufs“ (klarer kann man es, ohne zu spoilern, kaum nennen) bedarf, damit Georg bemerkt, auf welches Spiel er sich da eingelassen hat? Hinzu kommt ein seltsam jähes und irgendwie offenes Ende. Wären diese Kritikpunkte nicht gewesen, wäre „Morgenröte“ ein durchweg spannender Thriller um Wählermanipulation und Instrumentalisierung von Hass, der uns den Spiegel vorhielte. So ist die Geschichte immerhin noch eine gute Vorlage für eine Verfilmung, bei der man weniger Zeit hätte, zu reflektieren, ob Handlungen nachvollziehbar sind. 3,5 Sterne, die der wenig abwechslungsreichen Sprache wegen abgerundet werden. Letztlich muss hier jeder selbst entscheiden, ob die Lektüre lohnt.