Sehr bewegender Roman

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INHALT
Florida, Anfang der sechziger Jahre. Der sechzehnjährige Elwood lebt mit seiner Großmutter im schwarzen Ghetto von Tallahassee und ist ein Bewunderer Martin Luther Kings. Als er einen Platz am College bekommt, scheint sein Traum von gesellschaftlicher Veränderung in Erfüllung zu gehen. Doch durch einen Zufall gerät er in ein gestohlenes Auto und wird ohne gerechtes Verfahren in die Besserungsanstalt Nickel Academy gesperrt. Dort werden die Jungen missbraucht, gepeinigt und ausgenutzt. Erneut bringt Whitehead den tief verwurzelten Rassismus und das nicht enden wollende Trauma der amerikanischen Geschichte zutage. Sein neuer Roman, der auf einer wahren Geschichte beruht, ist ein Schrei gegen die Ungerechtigkeit.
(Quelle: Hanser Verlag)

MEINE MEINUNG
Mit „Die Nickel Boys“ hat der für seine Werke mehrfach ausgezeichnete US-amerikanische Schriftsteller Colson Whitehead erneut einen beeindruckenden, gesellschaftskritischen Roman vorgelegt, in dem er den Leser einen beklemmenden Blick auf ein äußerst dunkles Kapitel der amerikanischen Geschichte werfen lässt. Angesiedelt im Florida der 1960er Jahre erzählt Whitehead die sehr bewegende und aufrüttelnde Geschichte des jungen, hochintelligenten Afroamerikaners Elwood Curtis, der völlig unverschuldet in eine staatliche „Besserungsanstalt“ für Jugendliche gerät und Opfer von unvorstellbarer staatlicher Willkür und Rassismus wird. Wie Whitehead in seiner Danksagung anmerkt, sind seine Charaktere zwar fiktiv, doch basiert sein Roman auf wahren Begebenheiten. Grundlage hierfür war die Geschichte der „Dozier School for Boys“ in Marianna, Florida, die er aus Zeitzeugenberichten, Zeitungsartikeln und anderen Publikationen sorgfältig zusammengetragen und die recherchierten Details in seinen Romanhandlung eingebaut hat. Herausgekommen ist dabei eine außergewöhnlich aufwühlende Geschichte über Rassismus, Gewalt, Hass und unfassbarem Leid, die die historische Realität in den USA der 1960er Jahre widerspiegelt, die aber leider auch nach wie vor von aktueller Brisanz ist.
Die auf zwei parallel laufenden Handlungssträngen angelegte Geschichte wird aus der Perspektive seines Protagonisten Elwood erzählt. Zum einen erleben wir die Geschehnisse aus Sicht des jungen Teenagers und zum anderen finden sich eingeschobene Passagen vom erwachsenen Elwood, die deutlich veranschaulichen, welche tiefen Spuren seine grauenvollen Erlebnisse im Nickel in seiner Psyche hinterlassen haben. Geschickt nutzt der Autor den Wechsel zwischen den Zeitebenen zum Spannungsaufbau und konnte mich durch eine äußerst clevere Wendung zum Ende hin doch sehr überraschen.
Gekonnt lässt uns der Autor nach seinem eher harmlosen Einstieg immer tiefer in den trostlosen, erniedrigenden Alltag der jugendlichen Straftäter eintauchen und konfrontiert uns schließlich mit einer verstörenden, brutalen Wirklichkeit, in der ein Menschenleben nichts wert ist - einer grauenvollen Hölle auf Erden von unvorstellbarem Ausmaß. Schrittweise erhalten wir einen schockierenden Einblick in eine Mischung aus Willkür, Brutalität, Missbrauch, Gewalt und Misshandlungen, denen die Jugendlichen durch ihre Aufseher aber auch ihre Mitschüler alltäglich ausgesetzt sind.
Whiteheads bildgewaltiger, sehr einfühlsamer aber dennoch recht distanzierter Schreibstil hat mich schnell gefangen genommen und steht im scharfen Kontrast zu den verstörenden, beklemmenden Schilderungen von Elwoods grauenvollen Erlebnissen im Nickel. Nur ganz selten blitzen auch anrührende und hoffnungsvolle Momente auf, in denen bisweilen von Solidarität und Mitgefühl füreinander berichtet wird.

FAZIT
Ein bedeutungsvoller, beklemmender Roman mit einem traurig stimmenden, der einen auch nach Ende der Lektüre noch länger beschäftigt! Ein äußerst lesenswerter Roman!